Ein kurzer Abriss von Ali Kocaman

Ausgabe 203

(iz). Der Handel – und das Wirtschaften – müssen in beiderseitigem Einvernehmen zwischen den Parteien stattfinden. Die Mu’amalat – die Transaktionen und Beziehungen zwischen den Menschen – bilden die Richtschnur. Sie basieren auf der Lebenspraxis der ersten ­muslimischen Gemeinschaft von Medina als Vorbild für die folgenden menschlichen ­Gemeinwesen. Dieser Teil der Scharia macht zwei Drittel des gesamten islamischen Rechts aus. Dabei handelt es sich nicht nur um eine andere Form der Interaktion, mit unterschiedlichen Einrichtungen und Instrumenten, sondern auch mit einer anderen Denkweise über diese.

Eines ihrer Kernelemente ist ihre Währung – der Dinar (Gold) und der Dirham (Gold). Beide werden im Qur’an erwähnt und sind das Maß für wichtige Transaktionen des isla­mischen Rechts; allen voran die Zakat und viele andere Zahlungen wie die Mahr (Brautgabe), Ersatzleistungen für ausgelassenes Fasten etc. Ihr Gewicht ist durch den ‘Amal der Leute von Medina definiert. Das Gewicht des Dinars ist 4,25 Gramm Gold und das Gewicht des Dirhams ist 7/10 des Dinar oder 2,975 Gramm Silber.

Jenseits von Gold und Silber können alle werthaltigen Substanzen – wie Metalle, Erdöl, haltbare Grundnahrungsmittel wie Getreide, Datteln oder Salz – als Währung benutzt werden. Prinzipiell müssen die Tauschmittel im ­Islam grundlegende Bedingungen erfüllen: Sie müssen einen realen Wert besitzen, beide Seiten der Transaktionen müssen es akzeptieren, und es darf keinen Zwang von Seiten ­Dritter geben (ein staatliches Zwangsgeld ist nicht vorgesehen). Abstrakt muss Geld die ­Qualität des „‘Ain“ erfüllen; das heißt, es muss einen immanenten Wert haben. „Dain“. ­Schulden können nicht benutzt werden. Insbesondere kann damit keine Zakat bezahlt werden. Im Verlauf der Menschheitsgeschichte – mit Ausnahme der letzten 200 Jahre – haben sich Gold und Silber als beste Lösung für den Handel erwiesen.

Gold und Silber besitzen als wertvolle ­Dinge eine spirituelle Wirklichkeit – inklusive ­ihres Wertes in dieser materiellen Welt. „Sie sind es, denen die Gärten von Eden, durch welche Bäche fließen, zuteil werden. Darin werden sie mit Armspangen aus Gold geschmückt (…). Wie herrlich ist der Lohn und wie schön ist die Raststätte!“ (Al-Kahf, 31)

Konzepte wie „freier Handel“ oder „freier Markt“, die heute oft benutzt werden, um Kapitalismus zu beschreiben, sind irreführend. Handel im Islam kann es nur geben, wenn die Bedingungen der beiderseitigen Zustimmung und der Freiheit von Wucher (Riba) eingehalten werden. Kurz nach ­seiner Ankunft in Medina Al-Munawwara, der erleuchteten Stadt, schuf der Prophet des ­Islam, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, zwei Institutionen: eine Mosche und ein Markt. Er machte durch seine Aussagen und durch seine ausdrücklichen Handlungen klar, dass der Marktplatz eine freie Fläche zu sein hat, die jedem zugänglich sein muss – ohne Trennungen, Steuern, Abgaben oder Mieten. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Märkte müssen der gleichen Sunna wie die Moscheen folgen: Wer zuerst einen Platz bekommt, hat ein Recht darauf, bisher er aufsteht, um nach Hause zu gehen, oder bis er sein Geschäft abgeschlossen hat.“ Der Markt (arab. Suq) ist eine Sadaqa, die keinem privaten Eigentum unter­liegt. Ibrahim ibn Al-Mundhir überlieferte von Abdallah ibn Dscha’far, dass der Muham­mad ibn Hassan sagte: „Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden gaben, gab den Muslimen ihre Märkte als eine wohltätige Spende.“

Auf den Märkten ist jeder Tausch von ­Gütern erlaubt, solange bestimmte Bedingungen erfüllt werden: a.) Es darf sich dabei nicht um verbotene Güter wie Alkohol oder Schweinefleisch handeln. b.) Es darf keinen Riba (Wucher) geben. Das heißt, es darf keinen Zuwachs ohne einen korrespondierenden Gegenwert geben. c.) Kein Verkauf von unsiche­ren Waren wie beim Warenterminhandel (beispielsweise Weizen, bevor er geerntet wurde, oder Fisch, bevor er gefangen wurde). d.) Kein Betrug (beispielsweise höhere ­Preise für Reisende, die den lokalen Markt nicht kennen). Und d.) Das Verbot von Zwang (das heißt, die Manipulation von Marktbedingun­gen oder Monopolen).