Ein neuer Akteur

Ausgabe 263

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(IPS). Ameer Alkhawlany zog im September 2014 ins polnische Krakau. Dort wollte er an der Jagiellonien-Universität seinen Masterabschluss in Biologie machen. Zwei Jahre später verlieh ihm der polnische Staat ein Stipendium, um an der gleichen Fakultät zu promovieren. Nach Angaben von Aktivisten aus seinem Umfeld führte Alkhawlany ein ereignisloses Leben, bis zum letzten Sommer.
Damals sprach ihn der polnische Geheimdienst ABW an. Er wollte, dass der irakische Student Muslime ausspioniert. Alkhawlany sollte über Moscheen berichten und aktiv Kontakte zu bestimmten Leuten knüpfen. Der Student weigerte sich, da er als Atheist nicht an Gottesdiensten teilnehmen wollte.
Am 3. Oktober letzten Jahres wurde Alkhawlany plötzlich in der Stadtmitte Krakaus von Angehörigen der Grenzschutztruppen verhaftet. Für seine Festnahme wurden keine Gründe angegeben. Stunden später verurteilte ihn ein Schnellgericht zu 80 Tagen Gefängnis sowie folgender Abschiebung in den Irak.
Nach einer Odyssee durch die polnische Bürokratie und den Strafvollzug sprach ihn das regionale Gericht von Prezemsyl auf Grundlage der Beweise frei. Er habe sich legal in Polen aufgehalten und es gebe keinen Anlass für seine Verhaftung. Zur Überraschung von Anwälten und Aktivisten wurde der Student am Abend des gleichen Tages noch verhaftet und ausgewiesen.
„Das Verhalten der polnischen Geheimdienste in diesem Fall war absurd. Sie nahmen eine zufällige Person fest, weil sie aus einem bestimmten Land kam und erwarteten, dass sie über die Bewegungen anderer Auskunft geben würde“, erklärte Marta Tycner von der linken Razem-Partei, die sich in der Kampagne für Ameer Alkhawlany engagierte. „Sie glauben wirklich, dass jeder Mensch aus einem muslimischen Land an anti-staatlichen Aktivitäten beteiligt ist. Sie waren inkompetent und versuchen nun, ihre Unfähigkeit durch eine schnelle Ausweisung zu übertünchen.“
Die seit 2015 regierende PiS Recht und Gerechtigkeit führt einen nationalistischen und ultra-katholischen Diskurs. Sie stellt sich als Verteidiger des umkämpften Polens gegen verschiedene „Feinde“ dar: EU, Globalisierung und Islam. Sie legt unangemessene Ängste vor potenziellen Angriffen durch „Islamisten“ an den Tag, um ihre Kontrolle über die Gesellschaft zu festigen. Bis zum heutigen Tag gab es keinen einzigen Anschlag.
Im letzten Jahr nahm die Partei ein neues Gesetz an, welche den Behörden das Recht gibt, bei Fremden Fingerabdrücke zu nehmen, ihre Telefone abzuhören und Emails ohne Urteil zu überprüfen. Außerdem wurden online-Aktivitäten und das Recht auf Proteste eingeschränkt.
Die rechtsgerichteten und katholischen Medien, die wesentlich sind, um Massenunterstützung für die PiS zu gewährleisten, bringen Muslime regelmäßig mit Gewalt in Verbindung. Parteiführer Kaczynski erklärte berüchtigterweise im letzten Jahr, dass Einwanderer „sehr gefährliche Krankheiten mit sich tragen, die es lange nicht mehr in Europa gab“. Neben Ungarn gehörte Polen zu jenen Ländern, die sich gegen die Flüchtlingsaufnahme im Rahmen des EU-Quotensystems wehrten.
Polen selbst ist eines der homogensten Länder weltweit – mehr als 97 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich als „ethnisch polnisch“. Trotz sehr geringer Einwanderungsraten belegt der aktuelle Europäische Bericht zur Islamfeindlichkeit, dass über 70 Prozent der Bürger eine Beschränkung muslimischer Zuwanderung nach Europa fordern. Das ist die höchste Rate aller befragten europäischen Länder. In den letzten Jahren sind die negativen Einstellungen gegenüber Flüchtlingen erheblich angestiegen. (Claubia Ciobanu, IPS)