Ein neues Fach entsteht. Vom Spektakel der ­politischen Theologie

Ausgabe 210

(iz). Kritik ist einfach. Kritik ist oft billig. Sie geht auch allzuleicht von der Zunge. Und wie kann man ein Phänomen in Bausch und Bogen ablehnen, wenn man einen Teil des beteiligten Personals kennt, es schätzt und auch eine gute Meinung von seiner Arbeit hat? Dieses ­Dilemma stellt sich mir, wenn die „­Islamische Theologie“, wie das Konstrukt heißt, betroffen ist.

So haben viele frische Talente der deutschen Community in den fünf neu kreierten Standor­ten, an denen die neue Lehre unterrichtet wird, eine universitäre Stelle gefunden. Hier unterrich­ten, forschen und publizieren sie über ­eines der Themen, das seit Jahren die Öffentlichkeit der Republik beschäftigt. Bei einer Aufstellung vieler Mitarbeiter und Dozenten war ich bass überrascht, wie viele von ihnen im Laufe ihrer Karriere das eine oder andere Mal auch hier veröffentlicht haben. Ihr Wille, am Aufbau eines akademischen Diskurses und einer intellektuellen Elite mitzuarbeiten, ist offenkundig und muss als solcher hoch eingeschätzt ­werden.

Es gibt leider auch eine andere Seite: So ­machen öffentliche ­Verlautbarungen, personelle Entschei­dungen und Gespräche mit Insidern deutlich, dass die so genannte „Islamische Theologie“ eben nicht – wie sich das vielleicht viele muslimische Verbände gewünscht hätten – nur begrenzt ein Ort der freien Lehre sein kann. Zu ­offenkundig ist der politische Zugriff. Und wohl auch die Gewilltheit so mancher Professoren, die politische Gestaltung islamischer Lehre ­mitzuformulieren.

Sie halten das für übertrieben? Das Buch des Münsteraner Lehrstuhlinhabers Mouhanad Khorchide „Islam ist Barmzerigkeit“ beispielsweise liest sich an vielen Stellen wie eine „theolo­gische“ Formulierung der Deklarationen so genannter „liberaler Muslime“. Und das ist durchaus bedauernswert, weil die Grundfrage ­Khorchides, die nach der Barmherzigkeit Allahs ­tat­sächlich zu oft unterschlagen wird.

Dass es einen gezielten Willen der Politik gibt, hier zu ideologisch genehmen Neudeutung zu kommen, wird wahrlich nicht unwahrscheinlicher. Jüngst wurde der Fall eines Beiratsmitglie­des bekannt, den der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland bestimmte und in das Gremium entsenden wollte. Obwohl das Land Nordrhein-Westfalen keine ­Einwände hatte, intervenierte die Bundespolitik und der Betroffene wurde wieder ausgeladen.

Die muslimische Community wartet bisher noch auf den Beweis, dass das neue Fach am Ende mehr ist als nur eine politische Theologie.