Kieler Fachtagung über Religionsunterricht

Ausgabe 225

(iz). Zu einer ganztägigen Fachtagung über den Religionsunterricht hatte SCHURA Schleswig-Holstein in die Räume der Kieler Universität eingeladen. Neben Mitgliedern der islamischen Gemeinden nahmen auch zahlreiche Personen aus Kirche, Universität und Religionslehrerschaft teil. Hintergrund ist im nördlichsten Bundesland zum einen, dass die Landesregierung aus SPD, GRÜNEN und dem SSW, der Partei der dänischen Minderheit, im Koalitionsvertrag eine Reform des schulischen Religionsunterrichtes beschlossen hat.
Auch hat die Landesregierung ihr Interesse bekundet, nach Hamburger und Bremer Vorbild einen Staatsvertrag mit islamischen Religionsgemeinschaften zu schließen. Somit stellt sich die Frage nach der Etablierung eines islamischen Religionsunterrichtes an öffentlichen Schulen einschließlich der universitären Ausbildung von muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrern.
Dass solches von den Muslimen eingefordert wird, bekräftigte SCHURA-Vorsitzender Fatih Mutlu denn auch in seinem Einführungsvortrag: Auch in Schleswig-Holstein sei die Schule religiös plural geworden mit einem mehr oder weniger großen Anteil muslimischer Schüler. Hierauf müsse gerade der Religionsunterricht reagieren. Festhalten will SCHURA aber auf jeden Fall an Artikel 7 Abs. 3 Grundgesetz als Grundlage des Religionsunterrichtes, der diesen in die Verantwortung der Religionsgemeinschaften stellt. Ausgehend von der religionsgemeinschaftlichen Verantwortung und damit Bekenntnisgebundenheit werden derzeit unterschiedliche Modelle erarbeitet, diesen im schulischen Unterricht für Schüler unterschiedlichen Glaubens zu erteilen.
Neben der überkommenen Form der konfessionell getrennten Erteilung – wie sie für Muslime etwa in Niedersachsen und Hessen erarbeitet wird – gibt es das „Hamburger Modell“: Hier haben die islamischen Religionsgemeinschaften SCHURA Hamburg, DITIB und VIKZ, die evangelische Nord-Kirche und die Alevitische Gemeinde mit dem Hamburger Senat vereinbart, bekenntnisorientierten Unterricht für alle Schüler in gemeinsamen Klassenverbänden zu erteilen.
Mutlu betonte, dass die SCHURA Schleswig-Holstein bisher noch kein fertiges Modell habe. Man wolle die konkreten Bedürfnisse im Land berücksichtigen und vor allem darüber eine breite Diskussion führen. In den konkreten Diskussionsstand bei den Muslimen führten dann auf dem Podium der SCHURA-Bildungsbeauftragte Kudret Gürsoy und Zekeriya Altug, Vorsitzender des Landesverbandes DITIB-Nord ein. Gürsoy als Religionslehrer in Hamburg und Altug als Mitglied der Hamburger Reform-Kommission waren einerseits mit der Entwicklung in Hamburg gut vertraut, konnten aber andererseits die von der Großstadt-Struktur abweichenden Bedingungen in Schleswig-Holstein aufzeigen. Schleswig-Holstein könnte sich danach wohl in den Grundzügen an Hamburg orientieren, dass Modell bedürfte aber auch erheblicher Modifikationen aufgrund der hier anderen Bedingungen.
Unabhängig vom konkreten Modell wird man auf jeden Fall muslimische Religionslehrerinnen und -lehrer im Land universitär ausbilden müssen. Auf dem nächsten Podium stellte Prof. Uta Pohl-Patalong von der evangelischen Theologie der Universität Kiel den dortigen Studiengang für evangelische Religionslehrer vor und erörterte, inwieweit sich daran eine neu einzurichtende islamische Theologie orientieren könne. Zwei schon bestehende Studiengänge für islamische Theologie beschrieben Prof. Katajun Amirpur von der Universität Hamburg und M.A. Esnaf Begic von der Universität Osnabrück: Obwohl beide Institute sich der Etablierung eines zeitgemäßen wissenschaftlichen Islams in Deutschland verpflichtet sehen, weisen sie doch unterschiedliche Akzentuierungen auf. So besitzt man in Hamburg eine besondere interreligiöse Dialogorientierung des Studiums, gerade weil künftige Lehrkräfte zur Erteilung eines „Unterrichts für alle“ befähigt werden sollen.
Unter der Moderation des Journalisten und Autors Eren Güvercin ergab sich an diesem Tag ein von allen als konstruktiv empfundene Diskussion auf gutem Niveau gerade zwischen muslimischen und christlichen Vertretern. Hier zeigte sich viel gemeinsame Bereitschaft, den als wichtig empfundenen Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen neu zu gestalten. Dagegen schien das Problembewusstsein anwesender Vertreter der Landtagsfraktionen – gekommen waren nur SPD und SSW, GRÜNE und CDU hatten krankheitsbedingt absagen müssen – deutlich abzufallen. Die Aussage, für einen islamischen Lehrstuhl jedenfalls keine finanziellen Mittel zu geben, erntete bei allen Anwesenden erhebliches ­Unverständnis.