Ein US-Muslim berichtet über den Versuch seiner Familie, den Wunsch nach einem Haus mit seinen Ansprüchen in Einklang zu bringen. Von Salih D. Erschen

Ausgabe 240

(iz). In einem Radiofeature über den Immobilienmarkt nach dem Platzen der Spekulationsblase wurde erwähnt, dass in Detroit (Bundesstaat Michigan) Grundstücke für ein paar Tausend Dollar zu haben waren. „Kann das möglich sein?“, dachte ich mir. Das veranlasste mich zu einer kleinen Internetsuche, nur um herauszufinden, dass das tatsächlich möglich war und dass es auch andere Optionen gab. Als ich mir die Auswahl aber anschaute und die Gründe recherchierte, warum die Grundstücke überhaupt angeboten wurden, dämmerte mir, dass ein Leben in Detroit für mich sprichwörtlich ein Leben in der Hölle bedeutet hätte. Egal wie gering der Preis sei, ich konnte mich nicht zu der Entscheidung durchringen, meine Familie dorthin zu bringen.

Also begannen wir mir der Suche nach vergleichbaren Optionen in der Nähe meines jetzigen Wohnortes in Madison (Wisconsin). Meine Heimatregion blieb quasi eine Schutzzone auf dem Markt – die Immobilienpreise blieben relativ stabil. Trotzdem gab es Angebote in einem Radius von einer Stunde um unseren Wohnort; nicht so erschwinglich wie in Detroit, aber im Vergleich zu den allgemeinen Preisen immer noch günstig. Jetzt begann es, interessant für uns zu werden.

Schon seit Langem hatte ich mit meiner Frau über Wege gesprochen, die uns – eines Tages – den Besitz eines eigenen Hauses ermöglichen sollten. Das größte Hindernis dabei war unsere Absicht, den Kauf zinsfrei zu gestalten, denn wir sind Muslime und Zinsen wurden uns von Allah untersagt.

Eine Idee bestand in einer Art Mietkauf, der uns erlauben würde, Zahlungen zu leisten, die einerseits als Miete dienen würden und andererseits zum Kauf der Immobilien herangezogen werden konnten. Das hätte uns im Laufe der Zeit einen Anteil an einem Objekt gesichert.

Währenddessen hörte ich von einem muslimischen Darlehensunternehmen. Allerdings wurde dort eine große An­zahlung verlangt und es gab ein extravagantes Rechnungsmodell, das den Besitzanteil auf monatlicher Basis neu bestimmt hätte. Das hätte zur Folge gehabt, dass wir am Ende dafür mehr als für einen traditionellen Bankkredit bezahlt hätten. Und trotzdem wurde ihr Modell irgendwie als „scharia-kompatibel“ angepriesen.

Unser grundsätzliches Problem bei der Angelegenheit war eine anständige An­zahlung, die wir zu Beginn einfach nicht hatten. Trotz aller damit verhafteten Romantik war die Besetzung leerstehender Immobilien, für die es sogar einen Rechtstitel gäbe, natürlich keine Option. Also bleibt die Frage bestehen, wie wir ein Heim erstehen und trotzdem zinsfrei bleiben können.

Dem Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, wurde die Aussage zugeschrieben, dass einmal eine Zeit komme, in dem Zins so vorherrschend sein werde, dass sogar jene, die sich ihm in jeder Form enthalten, von seinem Staub bedeckt sein werden. Ich würde meinen, dass wir uns in dieser Zeit befinden. Nichtsdestoweniger möchte ich dann doch zu jenen gezählt werden, die es zu vermeiden möchten, dass sie von diesem Staub bedeckt werden.

Wer heute ein Studium will, muss ein Darlehen aufnehmen. Das gleiche gilt für den Aufbau eines Unternehmens, den Kauf eines Neuwagens oder – natürlich – den Besitz eines Hauses. Diese alltäglichen Dinge sind nicht die einzigen Transaktionen, aus denen Banker Kapital schlagen. Sie geben verzinste Kredite an jeden, der sie benötigt. Damit werden Wolkenkratzer gebaut, Staatshaushalte finanziert, Kriege geführt, Waffen produziert – all das, während die einfachen Leute niemals verstehen, wem das ganze eigentlich nutzt.

Und so stellten wir uns die Frage, wie der Kauf eines Hauses unter Umgehung dieser dritten Partei – die selbst mit dem Immobilienmarkt eng verbunden ist – möglich sein könne. Die Verbindung zwischen Kredit und Hauskauf ist so eng verknüpft, dass Immobilienmakler gar nicht glauben, es sei überhaupt möglich, ein Heim ohne Kredit zu finanzieren.

Nun gut, da der Hausbesitz Teil des Amerikanischen Traumes ist, war es noch vor gar nicht langer Zeit üblich, dass die Leute zu einem älteren Familienmitglied kamen, um einen Kredit zu bekommen. Üblicherweise war das eine gesunde Familienangelegenheit, die nichts mit Zinsen und sehr viel mit Vertrauen zu tun hatte. Damals wurde Zins zu Recht mit Kredithaien und anderen Verbrechern in Verbindung gebracht. Und doch konnte die Bankindustrie im Laufe der Zeit zu einem notwendigen Mittelsmann werden. Sie verkaufte die Idee, dass der Familie nicht so vertraut werden könne wie einem Finanzinstitut.

Mir war das „Wie“ nicht klar, aber ich wollte wirklich einen Weg finden, diese Vorstellung zu widerlegen. In dem Versuch haben wir einiges gelernt, das erste war: sich auf den Schutz des Schöpfers durch das Bittgebet zu verlassen. Wir hatten gehört, einige muslimische Familien hätten eine Bank gefunden, die zinsfreie Darlehen anbietet. Ein muslimischer Makler fand deren Namen für uns heraus: Country Wide, die heute mit dem Platzen der Immobilienblase verstrickt ist. Nach ein paar Tagen Papierkram stimmte die Bank einem Hauskauf von 200.000 Dollar zu – und irgendwie sollte es auch noch zinsfrei sein.

War fanden ein wunderschönes Eckhaus im viktorianischen Still. Aber alles schien zu gut, um wahr zu sein. Also beteten meine Frau und ich darum: „Wenn darin Gutes liegt, dann mach es möglich. Sollte es uns aber schaden, dann schütze uns davor.“ Um es kurz zu machen: Wir haben die Papiere nur unterzeichnet, um herauszufinden, ob der vorherige Besitzer aus dem Bundesstaat geflohen ist, und das Haus zwangsversteigert werden sollte. Wir waren erleichtert.

Der Makler fragte, warum wir nicht verärgert waren. Worauf wir ihm erklärten, dass wir dieses Bittgebet gemacht hatten und die Angelegenheit für uns ein klares Zeichen sei, dass das Haus nicht für uns ist. Aus reiner Neugier hielt ich einige Tage später vor dem Haus an und sah die Schilder, die vorher noch nicht dort waren, darauf stand geschrieben: „Nicht betreten! Schimmelpilzsporen!“

Mit der Krise 2008 und dem Zusammenbruch in der Immobilienindustrie eröffnete sich das Potenzial für den Bruch früherer Normen. In meiner anhaltenden Suche zur Schaffung eines Heimes für meine wachsende Familie dachte ich fortwährend über das Erreichen dieses Zieles nach. Zuerst hatten wir gelernt, dass eine anständige Anzahlung notwendig sein dürfte.

Meine Frau und ich nehmen an einem Projekt für Familiendarlehen teil, bei dem jede Person monatlich eine bestimmte Summe einzahlt. Einmal jährlich geht dann das ganze Geld an eine Person. Das verlieh uns auf einmal die nötige Kaufkraft. Da wir beide daran teilnahmen, bedeutete es, dass wir beide etwas bekommen konnten. Außerdem nutzen wir unsere Steuerrückzahlungen und konnten angespartes Gold verkaufen. Plötzlich schien eine anständige Anzahlung möglich zu werden.

Durch die Suche in unserer Gegend stieß ich auf vier Angebote, ein Haus mit unserem Kapital von 25.000 Dollar zu kaufen. Den ersten Versuch machten wir bei einem anderen Eckgrundstück, mit einem zweistöckigen Haus im gleichen Stil. Es hatte rund drei Meter hohe Decken und Feuerstellen in mehreren Räumen. Das Haus war renovierungsbedürftig, hätte aber ein nettes Plätzchen werden können. Es sollte sich herausstellen, dass es auch andere Interessenten gab; wir wurden überboten. Zuvor sprachen wir das gleiche Gebet und verstanden den Fakt, dass wir den Ort nicht bekamen, als einen Schutz.

Während meiner Suche musste ich über eine andere Idee nachdenken, mit der ich seit meiner Kindheit verbunden war. Ich konnte mich erinnern, wie meine Großeltern ein Grundstück gegen Raten verkauft haben. Ich dachte, es wäre großartig, ein moderneres Haus ohne großen Renovierungsbedarf kaufen zu können, sofort bezugsfertig. Das würde natürlich eine höhere Summe erfordern, aber mit dem Geld in unserer Tasche hatten wir ja eine ansehnliche Anzahlungssumme. Ich begann Emails an Makler zu verschicken, ob sie Anbieter hatten, die einen Ratenvertrag in Betracht ziehen würden. Einige der befragten Vermittler kannten diese Vertragsform nicht einmal. Andere entgegneten, dass die Objekte im Besitz von Banken waren, die dergleichen niemals in Betracht ziehen würden. Trotzdem antworteten einige, ihre Kunden dächten über eine solche Option nach.

Und wir lernten eine weitere Lektion: Nach dem Treffen mit einem Makler, der uns ein nettes Haus mit einem kleinen Hofgarten zeigte, platzierten wir unser Angebot. Uns war gar nicht bewusst, in welchem Maße selbst ein solcher Standardvertrag im Laufe der Zeit Zinsen beinhaltet. Als die Maklerin über Einzelheiten des Vertrages sprach und wissen wollte, welche Zinsrate wir anstreben würden, musste ich sie unterbrechen. Ich erklärte ihr, dass wir keine Zinsen zahlen wollten. Ihr blieb bloß zur Antwort, dass sie sich gar nicht vorstellen könne, wie dergleichen funktionieren könne.

Also versuchten wir einen neuen Anlauf und machten dem Makler zu Beginn klar, was wir wollten: eine größere Familie mit Interesse an diesem oder jenen Objekt, mit großem Platzbedarf, und dem Interesse an einem Verkäufer, der einen Ratenvertrag von 5-7 Jahren zu null Prozent anbieten würde. Zu bieten hatten wir die Anzahlung sowie die Monatsraten. Außerdem würden wir uns dazu verpflichten, nach Möglichkeit Abschlagszahlungen zu leisten, um den Prozess zu beschleunigen.

Uns war klar: Das war kein „traditioneller“ Vorschlag. „Aber wir praktizieren den Islam und Transaktionen mit Zinsen gelten auf unserem spirituellen Pfad als verabscheuungswürdig. Das mag für die sozialen Normen unserer Gesellschaft seltsam klingen, aber wir versuchen, solche Abschlüsse zu vermeiden“, schrieben wir in einem Brief an die Makler. Ob man es glauben will oder nicht, wir erhielten die verschiedensten Angebote.

Nach einer schwierigen Suche fanden wir ein großes Haus mit vier Schlafzimmern und zwei Bädern – auf zwei Morgen Land. Die vorherigen Besitzer hatten das Objekt geerbt; es war seit zwei Jahren auf dem Markt. Zuerst waren sie wegen des zinslosen Ratenvertrages skeptisch, aber am Ende einigten wir uns auf 145.000 Dollar. Eine Summe, die dem Wert der Immobilie angemessen war.

Trotzdem war es aufregend, den Vertrag aufzusetzen, jede Stelle im Formular zu streichen, in dem Zinsen erwähnt wurden, bis jeder seine Unterschrift darunter gesetzt hatte. Wir beschlossen eine monatliche Zahlung und weil wir innerhalb der Frist für Hauskäufer waren, erhielten wir ein Regierungsdarlehen von 8.000 Dollar. Als Folge der ersten Steuererklärung nach Vertragsabschluss bewegte sich unsere totale Bilanz nach einem Jahr Besitz auf 95.000 Dollar.

Mit dem Willen Allahs bewegten wir uns in Richtung des vollen Besitzes der Immobilie – nach dem Ablauf von fünf Jahren. Keine Bank, keine 30-jährige Hypothek, keine Zinsen. Das war ein gesegneter Vertrag – für uns und für die Verkäufer. Seitdem besuchen sie uns zu Familienfeiern und auch sonst immer wieder einmal. Nicht schlecht für eine gesunde, altmodische Transaktion von Mensch zu Mensch, oder? Es ist möglich, es ohne den Mittelsmann der Bank zu schaffen.

Auf jeden Fall sind wir besser dran, wenn wir ihr System umgehen können. Unsere große Lektion bestand darin, dass Hartnäckigkeit in unserem Versuch zu neuen Wegen führt. Dafür braucht es eine engagierte Suche und ausreichend Motivation, aber es ist möglich, wenn wir es nur versuchen.

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