Einige Vorschläge, wie man sich ohne Gegner positiv definiert. Von Khalil Breuer

Ausgabe 204

(iz). Es ist heute leichter geworden, zu sagen was der Islam nicht ist, als was er positiv gedacht ist. Aber natürlich sind wir als muslimisches ­Medium angehalten, die positive Seite in den Fokus zu rücken. „Was ist der Islam?“, ist eine Frage, die man nicht allzu vorschnell beantworten sollte. Wir sollten uns der alten griechischen Weisheit bewusst sein, dass wir „wissen, dass wir nichts wissen“.

Der Islam ist ein Meer des Wissens, lehrt eine ganzheitliche Lebenspraxis und ist mit dem Wort Religion nur unscharf getroffen. Gebet und Zakat, die Regeln der ‘Ibadat und der Mu’amalat gehören zusammen. Wir Muslime denken ­jenseits der Gegensätze von Diesseits und Jenseits, wir bestätigen die Einheit und sehen den Sinn unserer endlichen Existenz in der Lobpreisung des Schöpfers. Wir sind keiner bestimmten Kultur entgegen­gesetzt – zumindest solange die offenbarten Verpflichtungen nicht betroffen sind. In Europa schätzen wir neben den Kultursprachen auch Philosophie, Dichtung und Literatur. Das Weimar der Klassik ist für uns ein Symbol des fruchtbaren Austausches zwischen Abendland und Orient. Wir sind geprägt von den geschichtlichen Erfahrungen des moder­nen Europas, abgeschreckt vom Wahnsinn des Rassismus, angewidert von den Konzentrationslagern der Nazis und der Gleichmacherei des Kommunismus.

Wir definieren uns nicht nach der Logik: Wir sind gut, weil sie schlecht sind. Unsere Identität und unsere Terminolo­gie ist nicht von der Existenz von ­Feinden geprägt. Wir wissen, dass die Hand die gibt, besser ist als die Hand, die nimmt. Wir glauben, dass wir in einer der größten Finanzkrisen der Menschheitsgeschichte einen ökonomischen und sozia­len Beitrag haben. Die notwendige Mäßigung der Finanztechnik ist aus intellektueller Sicht die eigentliche Grundfrage dieses Jahrhunderts. Wir treten für eine freie Marktwirtschaft, auf Grundlage der Freiheit der Zahlungsmittel ein. Wir halten die Zinsnahme für eine zerstörerische Form des Wirtschaftens. Wir glauben an die völkerverbindende Dimension des Handels und der Märkte. Wir lehnen Monopole ab. Wir akzeptie­ren Gewinnstreben und individuelles Eigentum, wobei das Stiftungswesen die edelste Form der Widmung von Reichtum darstellt.

Wir Muslime sind gesetzestreu und arbeiten an einer positiven, einladenden Präsenz in unserem Land. Es gibt kein erfolgreiches Gemeinwesen ohne die Mit­wirkung engagierter Frauen. Wir wünschen uns eine aktive Lobbyarbeit in Berlin; durch Institutionen, die uns vertreten ohne ethnische Trennlinien aufzubauen oder zu vertiefen. Einrichtungen, die den gesellschaftlichen und sozialen Beitrag der Muslime anbieten.