Einwurf von Rupert Neudeck

Ausgabe 209

(iz). Syrien ist das Vietnam unserer Tage. Dort ist eine ganze Bevölkerung in einer kollektiven Notlage. Die meisten können gar nicht heraus aus dem Land, aus dem schon an die 300.000 Flüchtlinge über die ­Grenzen in die Nachbarländer geflohen sind. Im Lande irren mindestens 300.000 bis 500.000 Menschen umher, die brutalen Luftangriffen und Straßenkämpfen in ­Aleppo und in Damaskus, in Homs und Hama entflohen sind.

Einzelne können über eine Grenze kommen, sie haben deutsche Angehörige, die für sie auch sorgen würden. Aber sie müssen sich in die unendlichen Schlangen vor den deutschen Botschaften anstellen und dann sagt ihnen ein Beamter der Konsular­abteilung: „Die Bearbeitung ihrer Unterlagen wird zwei Wochen beanspruchen! Kommen Sie dann wieder… !“ Spätestens dann kann ein Mensch verrückt werden, der sich schon gerettet glaubte.

Hier einer unter unzähligen Fällen, die mir zugesandt oder am Telefon erzählt werden: Ein Aachener Deutscher „mit syrischem Hintergrund“ – der uns sehr geholfen hat, das erste Projekt von deutschen Humanitären in der befreiten Stadt Azaz auf­zu­richten – will seine Schwester nach Deutschland holen. Durch die Einladung und die Verpflichtungserklärung, wonach er für eine gewisse Zeit für alles auf­kommen wird, konnte sie unter großer Gefahr die Grenze nach Jordanien überwinden und ein Visum bei der deutschen Botschaft in Amman beantragen. Der Antrag wurde abgelehnt: Weil „kein ausreichender Nachweis zur Rückkehr nach Syrien vorliegt“. Diese Schwester des ­Aachener Bürgers ist in Jordanien. Nach Syrien kann sie unter den jetzigen Verhältnissen nicht zurück. Dieser Frau wurde aber gnädig beim deutschen Konsulat gesagt: Sie habe „das Recht auf Widerspruch innerhalb von vier Wochen!“

Es wird dringlich Zeit, eine Quote für ­solche Fälle zu bestimmen. Die Bundes­regierung sollte bei den Landesinnenministern ­Quoten für syrische Kriegsflüchtlinge beantragen; zumindest für jene, die hier einen oder ­mehrere Angehörige haben, die in der ­Regel ja schon unsere wertvollen Mitbürger sind. Immerhin höre ich, dass es viertausend syrische Ärzte in Deutschland geben soll. Wenn das nicht ein wertvoller Beitrag ist, den Mitbürger syrischer Herkunft schon ­geleistet haben.

Ich erbitte auf jeden Fall eine Quote für 10.000 Syrer, die zu uns kommen und von ihren Angehörigen betreut und aufgenommen werden können – jedenfalls für die ­erste Zeit.