Eröffnung des Zentrums für Islamische Theologie Münster/Osnabrück und des Instituts für Islamische Theologie Osnabrück

(iz). Mit einem zentralen Festakt im Münsteraner Schloss wurde am 30. Oktober 2012 das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) Münster/Osnabrück eröffnet. Das ZIT Münster/Osnabrück ist eines der vier Zentren für islamische Theologie, die nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung der Theologien vom Januar 2010 eingerichtet wurden. Die zügige Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates ist, wie auch bei diesem Anlass mehrfach betont wurde, maßgeblich der Unterstützung von Bundesbildungsministerin Annette Schavan zu verdanken, in deren Beisein das Zentrum eröffnet wurde. Die Rektorin der Universität Münster, Ursula Nelles, der Präsident der Universität Osnabrück, Claus Rollinger, sowie die Ministerinnen für Wissenschaft der beiden Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen brachten ihre Freude über die Wahl des Standortes Münster/Osnabrück noch einmal zum Ausdruck und sicherten dem Zentrum ihre weitere Unterstützung zu. Aus der islamischen Welt richteten der türkische Generalkonsul in Münster und der Leiter des Zentrums für Dialog der al-Azhar Grußworte aus.

Aufgaben der islamischen Theologie in Deutschland
Die Rednerinnen und Redner waren sich einig darin, dass die Eröffnung des Zentrums einen wichtigen Schritt für die Beheimatung des Islams in Deutschland und der Akademisierung der islamischen Lehre sei. Die beiden Leiter der Standorte, Mouhanad Khorchide (Münster) und Bülent Uçar (Osnabrück) legten ihre Sicht der zentralen Fragen dar, vor denen eine islamische Theologie in Deutschland stehe. Khorchide zufolge geht es um die Frage, welche Theologie heute in Deutschland gebraucht werde und er verwies auf seine jüngste Publikation „Islam ist Barmherzigkeit“ mit der er eine Antwort auf diese Frage versucht. Uçar stellte die Losungen „Theologie der Mitte“ und „Innovation in Tradition“ in den Vordergrund und unterstrich die Notwendigkeit, Substanz in Forschung und Lehre herzustellen und dabei den Bezug zur muslimischen Basis in Deutschland nicht zu verlieren: „Wir in Osnabrück werden uns nicht an einer abgehobenen Überfliegertheologie im Elfenbeinturm orientieren, sondern legen Wert auf Bodenhaftung und Akzeptanz an der Basis.“

Hervorzuheben ist, dass beide Standorte unabhängige und eigenständige Institutionen mit eigenen Studiengängen, Beiräten und auch inhaltlichem Profil sind. Im Bereich der Forschung ist jedoch eine enge Zusammenarbeit geplant, ebenso soll es einen Austausch im Bereich der Lehre geben.

Verhältnis zur Theologie in der islamischen Welt und zu Muslimen in Deutschland
Für die Entwicklung der islamischen Theologie in Deutschland sei Unterstützung nötig, auch dies wurde von verschiedenen RednerInnen betont. Annette Schavan verwies diesbezüglich auf die lange Tradition der (christlichen) Theologie als universitärer Disziplin in Deutschland von der die Zentren für Islamische Theologie profitieren könnten und äußerte die Hoffnung, dass von diesen aufklärerische Impulse auch in die islamische Welt ausgingen. Demgegenüber erhoffen sich die Leiter des Zentrums Aufklärung gerade aus der islamischen Welt: Die Zusammenarbeit mit theologischen Lehrstühlen in der islamischen Welt sei von großer Bedeutung, sagten Uçar und Khorchide übereinstimmend und verwiesen auf entsprechende Kooperationen. Auch der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Erol Pürlü, unterstrich, dass nur mit Unterstützung aus der islamischen Welt die islamische Theologie in Deutschland auf ein solides Fundament gestellt werden könne. Kritisch sah Pürlü den Umgang mit Vertretern der Muslime. Dem konfessionellen Beirat in Nordrheinwestfalen gehören acht muslimische Persönlichkeiten an, von denen vier der KRM benennt. Allzu oft, so Pürlü, würden die Religionsgemeinschaften vor vollendete Tatsachen gestellt. So kritisierte er, dass die Eröffnung vorbehaltlich der Zustimmung des Beirats erfolge.

Friedensbotschaften
Die Eröffnung des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie (IIT) fand am Nachmittag im geschichtsträchtigen Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses statt, eines der Orte der Verhandlungen, die schließlich in den Westfälischen Frieden mündeten. Von dieser Friedensbotschaft war auch die Eröffnung inspiriert und eingerahmt: Vor dem Rathaus ließen die Gäste Luftballons mit Friedensbotschaften in verschiedenen Sprachen aufsteigen, eine Koranrezitation bildete den Auftakt und Friedensgebete von muslimischen, jüdischen und christlichen Vertretern den Abschluss der Veranstaltung. Anwesend waren neben den Vertretern der Universität und der Politik auch hochrangige Gäste aus der islamischen Welt, darunter aus Universitäten, mit denen bereits Kooperationsabkommen des IIT bestehen oder angestrebt werden. Die Präsidentin der International Islamic University Malaysia, der Dekan der theologischen Fakultät der Universität Sarajevo sowie der Großmufti von Istanbul brachten ihre Hoffnung auf einen positiven Beitrag des Instituts zu einer vertieften Kenntnis des Islams, zum Dialog der Religionen und zum Zusammenleben in einer multireligiösen Gesellschaft zum Ausdruck. Der Leiter des IIT, Bülent Uçar, blickte sichtlich bewegt auf die Arbeit der letzten Jahre zurück und dankte allen daran Beteiligten.

Friedlich und vor allem kooperativ verläuft in Osnabrück auch die Zusammenarbeit mit dem Beirat. Dies war den Worten Avni Altıners zu entnehmen, Vorsitzender der Schura Niedersachsen, die gemeinsam mit DITIB und drei weiteren Einzelpersonen den Beirat bildet. Er betonte, wie zuvor auch Bülent Uçar, die Bedeutung einer engen Verbindung zur muslimischen Basis in Deutschland und lobte die gemeinsamen Bemühungen in Niedersachsen. Diese gehen über die Zusammenarbeit mit dem IIT und dem Vorläuferinstitut Zentrum für Interkulturelle Islamstudien (seit 2008) hinaus, denn an der Universität Osnabrück werden schon seit 2002 IslamlehrerInnen in Zusammenarbeit mit den islamischen Organisationen fortgebildet. Altıner bewertete die Einrichtung des IIT als einen Meilenstein für die Muslime in Deutschland: „Wir sind endlich da angekommen, wo wir hingehören, in der Mitte der Gesellschaft und im Wissenschaftsbetrieb.“ Auch Yılmaz Kılıç, der Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen von DITIB, hob die vertrauliche Zusammenarbeit hervor und zeigte sich besonders erfreut, dass in der Friedensstadt Osnabrück mit sieben Lehrstühlen der größte Standort Deutschlands im Bereich der islamischen Theologie entstehe.

Zuvor hatte Wissenschaftsministerin Johanna Wanka auf eine der zentralen und bislang ungeklärten Fragen hingewiesen: Man könne für die Ausbildung von Imamen und ReligionslehrerInnen Mittel zur Verfügung stellen und werde dies auch nach Ablauf der zunächst zugesicherten fünf Jahre tun. Entscheidend sei dann jedoch ihre Akzeptanz durch die Religionsgemeinschaft. In dieser Frage sicherten ihr sowohl Altiner, als auch Yılmaz Kılıç, die Unterstützung ihrer Gemeinschaften zu.

Unterschiedliche Erwartungen
Deutlich wurde nicht nur bei dieser Veranstaltung, dass die mit den Zentren verbundenen Erwartungen durchaus unterschiedlich gelagert sind. Neben das Anliegen, eine islamische Theologie als akademische Disziplin zu etablieren, die sich auf Augenhöhe mit den christlichen Theologien befindet (so etwa Claus Rollinger, Präsident der Universität Osnabrück), tritt bisweilen der Wunsch nach der theoretischen Entwicklung und Etablierung eines „aufgeklärten“ Islams. Dessen erhellende Wirkung soll sogar bis in die islamische Welt reichen, der damit unterstellt wird, dass sie solcher Nachhilfe aus Deutschland dringend bedarf.

Auch der allseits erwartete positive Effekt auf die „Integration“ wird sehr unterschiedlich gefasst: Entweder im Hinblick auf (mangelnder Aufklärung geschuldeten) Integrationsdefizite der Muslime, die abzubauen ihnen eine am deutschen akademischen Betrieb geschulte Theologie behilflich sein soll, oder – positiv – als „Beheimatung“ in dem Sinne, dass Muslime mit einer authentischen, auf der gelehrten Tradition des Islams aufbauenden Theologie in Deutschland anerkannt werden. Der problematische Begriff der Integration muss auch in der Diskussion um die islamische Theologie genauer reflektiert werden. Denn in einem Prozess der Integration verändern sich nicht nur die Einwanderer und ihre Nachkommen, sondern auch die „Alteingesessenen“. Voraussetzung ist Offenheit auf beiden Seiten. Ministerin Schavan wertete die Einrichtung der Zentren für Islamische Theologie als ein solches Zeichen der Offenheit Deutschlands. Ein Satz, der zumindest die anwesenden Musliminnen verwundert haben dürfte, ist es doch nicht zuletzt auch Frau Schavan und ihrer unnachgiebigen Position in der Auseinandersetzung um das Kopftuch im Schuldienst in den letzten 15 Jahren zu verdanken, dass zahlreiche an deutschen Universitäten ausgebildete (Islam-)lehrerinnen nicht regulär unterrichten dürfen.

Welche Entwicklung die islamische Theologie in Deutschland nimmt und ob die Hoffnungen, die nicht zuletzt viele Muslime in Deutschland an die neuen Zentren und Institute knüpfen, sich erfüllen, wird sich erst in einigen Jahren, vielleicht Jahrzehnten erweisen.