Essay: Richtiges Handeln fängt mit einer präzisen Sprache an. Von Roberto Luongo

Ausgabe 201

(iz). „Und Er lehrte Adam alle Namen. Hierauf legte Er sie den Engeln vor und ­sagte: ‘Teilt Mir deren Namen mit, wenn ihr wahrhaftig seid!’ Sie sagten: ‘Preis sei Dir! Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast. Du bist ja der Allwis­sende und Allweise.’“ (Al-Baqara, 31-32)

Die obigen Zeilen stammen vom unerschaffenen Wort Allahs. Von Seinem Buch, von dem es Kopien gibt, die zuerst von Schreibern niedergelegt wurden und in späteren Zeiten, bis in die Gegenwart als gedruckte Ausgaben. Aus diesen Kopien, die bei gebildeten Muslimen als Mus’hafs (wörtlich „Kopien“) bezeichnet werden, fertigte man viele Übertra­gungen seiner Bedeutungen in verschie­dene Sprachen an. Der Mehrzahl der Gelehrten ist es sehr wichtig, sie aber nicht als Übersetzungen zu bezeichnen. Bereits jetzt ist uns die Wichtigkeit des präzisen Verständnisses eines Wortes bewusst. Denn so können wir wirklich sagen, was wir meinen.

Ich muss vorausschicken, dass ich in keiner Weise eine qualifizierte ­Autorität für das Buch bin, noch für seine Bedeu­tungen. Ich habe weder Zugang zu ihm in seiner Originalsprache, noch bin ich gelehrt in seinen Bedeutungen und Interpretationen; mit Ausnahme des Bisschen, was ich von den Gelehrten ­genommen habe, die sich diese, genau defi­nierte Wissenschaft aneigneten, wie sie von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

Und wieder stoße ich auf den Vers: „Und Er lehrte Adam alle Namen.“ Es ist an den Leuten des Wissens (den heutigen und den vergangenen), auf die ich mich für ein korrektes Verständnis ­stütze, um keine Fehler zu machen oder etwas zu sagen, von dem ich kein Wissen habe. Daher gilt für alle, für die der Gebrauch der Sprache und die Aneignung präziser Begriffe von ­allerhöchster Wichtigkeit ist. Das passende Wort (le mot juste) zu finden – um die Bedeutung einer Idee zu vermitteln, ein tiefe­res, inneres Gefühl, ein Befehl oder ein Verbot, oder auch eine Einsicht, um die Tiefen zu erforschen -, erfordert große Vorsicht.

„Er lehrte Allah die Namen aller Dinge“ – den Namen einer Sache zu ­kennen, verbindet uns mit ihrer Bedeutung. Hier richtig oder falsch zu liegen, stellt den großen Unterschied dar. Wir leben in einer Zeit, in der der die meisten Menschen dieses adamische [von Adam stammend] Wissen verloren haben: die Bedeutungen in den Namen der ­Dinge.

Wir können beispielsweise das Wort Geld identifizieren; was es ist und was die Menschen darunter verstehen: Ein Wert, ein Tauschmittel, durch welches Waren und Dienstleistungen erworben werden können? Und doch war die Welt schrecklich erschüttert, als allen klar wurde, dass das, was die Leute unter seinem Wert verstanden, ist der Tat Schulden waren. Erschaffen aus dem Nichts. Eine Schuld, die mit Hilfe ­eines mysteriösen Mechanismus, des Exchan­ge Rate Mechanism (ERM), in aller Welt gehandelt und getauscht wurde. Dies geschieht via Computer-Terminals durch eine Elite. Sie tun dies, wie normale Menschen Geld als Tauschmit­tel benutzen, und von dem wir gerade feststellen mussten, dass es wertlos ist. Als Konsequenz haben all diese ­Dinge, die wir früher mit Namen ­bezeichneten (wobei Eigentum möglicherweise das wichtigste, oder man könnte auch sagen, das wertvollste ist), an Wert verlo­ren. Einfach so! Das ist erstaunlich!

Wie ein kleiner Bach, wie die vielen meiner Geburtsheimat Neuengland, sich seinen Weg nach unzähligen Biegungen und Wendung bricht, um zum großen Strom zu gelangen, der seinerseits in den Atlantik gezogen wir, ­fühle ich mich hier zu dem angezogen, was ich in den Schriften von Ezra Pound finde. Neben seinem Hauptwerk, den „Cantos“, stehen seine Prosaessays und Überlegungen, aber gerade auch seine unglaublich wichtige Übersetzung der wichtigen Bücher von Konfuzius: das „Ta Hio“, das „Tschung-Jung“ und schließlich „Die Analekten“.

Aus diesen entstand Ponds Übersetzung aus dem antiken Chinesisch in die bodenständige Sprache, die man ­heute noch gelegentlich in den ländlichen Gebieten des Mittleren Westens hört. Es sollte angemerkt werden, dass ausgebil­dete Sinologen sich immer daran störten, dass er ein einfaches chinesisch-englisches Wörterbuch benutzte – ­neben den Notizen des bekannten Ernest Fenollosa. Pound war ganz aus dem Häuschen, als ihm dessen Witwe die Papiere mit der knappen Bemerkung übergab, dass ihr Mann wollte, dass Pound sie hat. Die allgemeine Klage lautet, dass er „unzählige Fehler gemacht hatte“. Dies ist, natürlich, vollkommen möglich. Nachdem ich seine Bücher gelesen habe, bin ich mir aber sicher, dass er die Bedeutungen verstanden hat, da jede richtig und wahr klingt.

„Tse Lu: Der Herr Wei wartet darauf, dass du eine Regierung bildest. Was wirst du als erstes tun? Kung: Die Namen klären [eine ­präzise Begrifflichkeit klären].

Tse Lu: Wie kann das sein? Du schweifst ab. Warum [willst du] sie festlegen?

Kung: Du Kürbis! Sprosse! Wenn ein Mann kein Wissen hat, sollte er Zurückhaltung an den Tag legen. Wenn Worte [Begriffe] nicht genau sind, kann man ihnen nicht folgen oder eine Handlung entsprechend ihrer Bedingungen vollenden.

Das nächstfolgende konfuzianische Prinzip ist: „Die Schaffung einer gerechten Gesellschaft muss auf der Einrichtung eines gerechten Austauschmittels basieren.“ Das qur’anische Modell ist ausgearbeiteter und deutlicher formuliert, da es zu einem noch ­höheren Wissen herauf ragt, zu dem die Menschheit streben kann. Und das, obwohl sich die Leute des Wissens darin einig sind, dass es nur in Form eines Geschenks zu uns kam. Genau genommen gibt es keine islamische Politik, sondern vielmehr ein ökonomisches Modell des Islams. Sein Begriff ist Daulat und er leitet sich direkt von der Zirkulation des Reichtums aus den höchsten Segmenten der Gesell­schaft ab, um die Niedrigsten zu erreichen und zu ernähren. Das Hauptmittel, durch welches dies möglich wird, ist die [Einsammlung der] Zakat durch die Autoritäten. Bezahlt wird sie auf Güter und Waren mit echtem Wert und in Substanzen, die einen reellen Gegenwert haben. Verteilt wird sie augenblicklich an jene, die durch die klaren, mit ihr in Zusammenhang stehen­den Regeln dafür bestimmt wurden. Keine davon, so möchte ich anfügen, dient der Aufrechterhaltung eines büro­kratischen Systems.

Das Daulat ist für das Gemeinwesen, was der Blutkreislauf für den Körper ist. Regierung und, daher Führung, wird an denjenigen gehen, der sicherstellt, dass dieser Prozess funktioniert. Der moderne, Steuern nehmende Staat ist von seinem Wesen her statisch. Er sammelt und bewahrt Reichtum. Er ist, ­obwohl er auf keiner Art und Weise Kontrolle über diesen Reichtum erlangt, dass Gegenmodell zum Daulat. Daher kann gesagt werden, dass ein „Islamischer Staat“ dem Islam feindlich ist. Der Name wurde in seinem tiefsten, adamischen Sinne von seiner Bedeutung getrennt.

In Dantes „Paradies (Teil der ‘Göttlichen Komödie’)“ präsentiert dieser auf auf spektakuläre Weise ein Zitat aus dem „Buch der Weisheit“ von Salomon [Sulaiman]: Die Seelen des Himmels ergießen sich in den Mustern des Lichts. Obwohl die „Göttliche Komödie“ von Dante insgesamt in einer neuen Schriftsprache verfasst wurde, verließ er sich bei solchen wichtigen Zeilen immer noch auf das damals gebräuchliche Latein. Wörtlich ließe sich diese (Diligite iustitiam qui iudicatis terram) grob wie folgt übersetzen: „Oh, die ihr die Erde regiert, haltet die Gerechtigkeit in Ehren.“ Dante setzt auf die imperiale Macht als die Garanten von Gerechtig­keit, die daher näher an dem war, was er als göttlichen Befehl verstand. Auch im Gegensatz zum Papsttum, an dem er Anstoß nahm. Es versteht sich von selbst, dass ihn dies beim Papst beliebt nicht machte. Ein wahrer Mensch nennt die ­Dinge bei ihren richtigen Namen; neu formu­liert von Pound, aber mit Rückbezug zur Originalquelle: „Und Er lehrte Adam alle Namen.“

Diese Kreisbewegung vom einleitenden Qur’anvers über die „die Namen“ und dann zurück zu ihnen, kann von einer weiteren Quelle profitieren, die Pound auf seiner Odyssee geleitet ­hatte. Es war ein recht unbekanntes Buch, „The History of Money“. Dadurch wurde der Dichter zu den Imamen Asch-Schafi’i und Ibn Hanbal geführt, die beide die Maße und Gewichte darlegten, mit deren Hilfe Gold und Silber als Austauschmittel genutzt wurden. Der Schlüsselpunkt hier ist das Gewicht; im Gegensatz zu kleinen Papier­scheinen, auf die größere oder ­kleinere Nummern geschrieben werden können, die ihren Wert bestimmen.

Dies bringt uns zu den einleitenden Zeilen des Canto XCVII:

„Malik & Edward schlugen Münzen mit einem Schwert, ‘Emir el Muminin’ (Systems S.134) sechs und ein halb zu eincm, oder das Schwert des ­Propheten, Silber ist in den Händen der Leute.“

Carroll F. Terrell schrieb in einem Monumentalwerk „A Compagnien to The Cantos“, dass 692 n.Chr. der Khalif ‘Abdalmalik seine Unabhängigkeit von Rom gewährleisten wollte. Er prägte entsprechend der Praxis des Prophe­ten Muhammad Gold-Dinare und Silber-Dirham. Dies beendete die (ungerechte), von Rom betriebene Ungleich­heit zwischen dem aufgeblähten Wert des Goldes (nur in den Händen der Superreichen) und dem von Silber (üblicherweise bei den einfachen Leuten).

Die bedeutet, dass das Geld in den Taschen der Menschen durch den sofortigen Gebrauch der muslimischen Währung an Wert zunahm. Dies brachte nicht nur muslimische Münzen nach Osteuropa, sondern den auch den ­Islam als Religion, die von vielen bevorzugt wurde.

Die beiden „Namen“ – in der Art und Weise, wie Adam zuerst alle Namen gelehrt wurden – wären demnach Geld und Gerechtigkeit. „Er lehrte Adam die Namen aller Dinge.“ Blicken wir jetzt auf unsere Zeit: Das Geld hat keinen echten Wert. Die Gerechtigkeit liegt in den Händen einer korrumpierten, poli­tischen Klasse und Islam – einst das Heilmittel für den Osten, wie für den Westen – wird als dessen Ruin geschildert.