Europas Pressestimmen zu Algerien

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„El Mundo”, Spanien:
„Algerien ist ein Pulverfass kurz vor der Explosion. Seitdem Präsident Bouteflika am 10. Februar per Brief seine Absicht bekanntgegeben hatte, für eine fünfte Amtszeit kandidieren zu wollen, gehen die Bürger massenhaft auf die Straßen der Hauptstadt, um den ‘Sturz des Militärregimes’ zu fordern. Es sind die größten Proteste der vergangenen Jahre. Dabei kehrt wieder das Motto des Arabischen Frühlings zurück (…) Seit gestern ist Bouteflikas Kandidatur offiziell. Mit 82 Jahren kann er, der wegen seiner angeschlagenen Gesundheit seit 2012 praktisch völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, aber nicht der Mann sein, der ein Land anführt, das Reformen und vor allem Freiheit verlangt.”
„Hospodarske noviny”, Tschechien:
„Sich um eine fünfte Amtszeit als Präsident zu bemühen, ist unter jeglichen Umständen eine bemerkenswerte Leistung. Im Falle Algeriens sind die Umstände freilich derart eigenartig, dass seit mehr als zehn Tagen Zehntausende Algerier gegen die angekündigte Kandidatur von Abdelaziz Bouteflika auf die Straße gehen. (…)
Unter den jetzigen Demonstranten sind überwiegen junge, gebildete und säkular orientierte Menschen, deren Protest nicht mit Radikalismus in Verbindung gebracht werden kann. Für sie ist der 82 Jahre alte Präsident die Verkörperung eines versteinerten Regimes. (…) Es bleibt die Hoffnung, dass ein positiver Ausgang gefunden wird, so wie zum Beispiel im benachbarten Tunesien, das als einziges Land Nordafrikas den arabischen Frühling erlebt hat, ohne in ein inneres Chaos zu verfallen, von dem letztlich nur wieder die Unterstützer eines Regimes der harten Hand profitieren.»
„El País”, Spanien:
„Die Führer der Nationalen Befreiungsfront (FLN), jener (regierenden) Partei, die in allen Ecken des Staates präsent ist, stehen nun vor einer wichtigen Entscheidung: Sie können entweder die Proteste unterdrücken, was sie noch nicht gemacht haben, oder beobachten, wie sie weiter zunehmen, bis sie zu einem späten Arabischen Frühling werden. Im Jahr 2011 hatten die Winde der Freiheit Algerien nicht erreicht, aber diesmal werden sie immer mehr und immer stärker.
Nicht nur in der Hauptstadt, sondern in vielen Städten des riesigen Landes. Sie (die ELN-Führer) sind sich wohl darüber im Klaren, dass sich die Proteste, je mehr Zeit vergeht, zu einer Bewegung ausweiten können, die sich nicht nur gegen Bouteflika, sondern gegen das ganze Machtsystem richtet. Die Bestätigung der Kandidatur Bouteflikas am Sonntag spricht nicht für die Fähigkeit der Entscheidungsträger, auf die Stimme der Straßen zu hören. Das gibt wenig Grund zu Optimismus.”
„La Presse de la Manche”, Frankreich:
„Das algerische Volk bittet seine Führung, sich nicht noch lächerlicher zu machen, indem sie einen unsichtbaren, fast stillen und schwerbehinderten Präsidenten wieder an die Macht bringt. Außerdem sind 20 Jahre größter Macht zu viel. Die Zeit der Erneuerung ist gekommen. Die Clans, die hinter (Abdelaziz) Bouteflika Algerien übernommen haben, müssen die Macht verlieren. Ein neues Algerien ist entstanden. Hoffen wir, dass es nicht im Keim erstickt wird.”