Experten sind skeptisch

Ausgabe 296

Foto: en.kremlin.ru

Mit einigen Zweifeln reagieren Experten auf die Ergebnisse Berliner Libyen-Konferenz vom 19.01.20. Moskau und Ankara sind hier wichtige Akteure.

(GFP.com). Zwar verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der ­wichtigsten in den Libyen-Krieg involvierten Länder in der deutschen Hauptstadt eine Resolution, die insbesondere einen Waffenstillstand, die Durchsetzung des Waffenembargos und erste Schritte zur Rekonstruktion des ­libyschen Staates vorsieht. Doch fehlten ein förmliches Waffenstillstandsab­kommen und ein Mechanismus zur Durchsetzung des Waffenembargos, hieß es etwa bei der niederländischen Denkfabrik Clingendael.

Die Konferenz habe „in einer Art ­Parallel-Realität zum tatsächlichen Geschehen in Libyen“ stattgefunden, urteilte Wolfram Lacher, Libyen-Experte der ­Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Bereits kurz danach wurde von neuen Anzeichen einer Eskalation berichtet. Auch wird offenbar beinahe die gesamte libysche Erdölproduktion blockiert.

Deutsche Außenpolitiker stellten eine EU-Militärintervention unter Beteiligung der Bundeswehr zur Debatte. Die Bundesregierung hatte die Konferenz bereits seit dem vergangenen Herbst geplant, konnte sie allerdings erst durchführen, nachdem Russland und die Türkei mit der Erzwingung eines Waffenstillstands gut eine Woche vor ihrem Beginn die zentrale Voraussetzung dafür geschaffen hatten. Moskau und Ankara hatten im Laufe des vergangenen Jahres ihren Einfluss auf je eine der libyschen Kriegsparteien beträchtlich steigern können.

In Berlin waren neben den Präsidenten Russlands und der Türkei auch die Staats- beziehungsweise Regierungschefs Frankreichs, Italiens, Großbritanniens, Ägyptens, Algeriens sowie des Kongos – als Vorsitzender des Hohen Komitees der AU zu Libyen – anwesend, darüber hinaus die Außenminister der USA sowie der Vereinigten Emirate und Vertreter weiterer Staaten. Anwesend waren zudem der Ministerpräsident der libyschen „Einheitsregierung“ Sarraj, sowie dessen mächtigster Gegner, der Kommandant der Libyan National Army Haftar.

Mit der Resolution einigten sich alle Anwesenden auf einen Waffenstillstand, die Durchsetzung des Waffenembargos und erste Schritte zur Rekonstruktion des Staates. In dem Dokument heißt es beispielsweise, man „verpflichte“ sich, „uns nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen“. Die Unterzeichner verlangten „die Einstellung aller militärischen Bewegungen seitens oder in direkter Unterstützung der Konfliktparteien“ sowie einen „umfassenden Prozess der Demobilisierung und Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen und Milizen“. Die Teilnehmer verpflichteten sich, das UN-Waffenembargo in Zukunft „in vollem Umfang einzuhalten und umzusetzen“. Dies gelte auch für „die Finanzierung militärischer Fähigkeiten und die Rekrutierung von Söldnern“.

Experten zeigten sich skeptisch und wiesen darauf hin, dass Sarraj und Haftar nicht einmal bereit waren, sich im selben Raum aufzuhalten, geschweige denn miteinander zu verhandeln. Zwar sei die Veranstaltung für die Bundesregierung „immerhin ein Prestigeereignis“ gewesen, „wie es nicht allzu oft vorkommt“, meinte Wolfram Lacher. Mit „konkreten Folgen“ sei jedoch „nicht zu rechnen“. Habe „bei der russisch-türkischen Initiative“ immerhin die Aussicht bestanden, „dass die Einhaltung eines Waffenstillstands von einer gemeinsamen Überwachungstruppe kontrolliert“ werde, so fehlten in der Berliner Resolution „die handfesten Mittel, Haftar zu stoppen und den ­Konfliktparteien Garantien zu geben“.

Daher wurden bereits vor der Konferenz Forderungen nach einem EU-Militäreinsatz laut. Zunächst hatte sich in diesem Sinne der EU-Außenbeauftragte Borrell am 17. Januar geäußert. Er hatte darauf hingewiesen, dass „im vergan­genen halben Jahr … die Türkei und Russland in Libyen massiv an Einfluss gewonnen“ und diesen jetzt genutzt hätten, um „eine vorläufige Waffenruhe“ durchzusetzen.