Fahrrad-Trend in Bangladesch

Unzählige Autos und verbeulte Busse, Tuk-Tuks und Rikschas, Roller und Motorräder stecken in Dhaka in Bangladesch jeden Tag im Stau fest. Die junge Mittelschicht sucht eine Lösung. Und findet sie mit Hilfe des Internets.

Dhaka (dpa). Eigentlich ist das Fahrrad in Bangladesch das Verkehrsmittel der Armen. Doch in der Hauptstadt Dhaka, einem stinkenden, verstopften Moloch mit etwa 15 Millionen Einwohnern, gibt es für repräsentative Autos und dicke Motorräder oft kein Durchkommen mehr. Einige junge Bangladescher aus der Mittelschicht taten deswegen vor drei Jahren das fast Undenkbare: Obwohl sie genug verdienten, stiegen sie aufs Rad um. Zehntausende sind ihnen seitdem gefolgt – vor allem dank einer Facebook-Gruppe und eines Blogs.

Der vermutliche Vater des Trends ist Mozammel Haque (34), Manager in einer Softwareentwicklungsfirma in dem südasiatischen Entwicklungsland. Zunächst fuhr nur Haque jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, dann folgten seine Freunde seinem Beispiel. «Als wir eine kleine Gruppe von zehn bis zwölf Leuten beisammen hatten, wollten wir am Wochenende auch mal mehrstündige Touren außerhalb der Stadt machen», erzählt er. «Also gründeten wir eine Facebook-Gruppe namens BDCyclists. Damit begann alles.»

Heute hat die moderierte, geschlossene Gruppe mehr als 35 000 Mitglieder. «Wir posten Details der nächsten Events und Routen, diskutierten die Ziele, laden Bilder und Videos hoch», erklärt der Student Siam Kibria (20). Seine Freunde seien stets total erstaunt gewesen, wenn er Bilder von den Fahrten auf seiner Seite online gestellt habe. «Sie meinten: «Ist das in Bangladesch? Glaub ich nicht!»

Das Radfahren habe seinen Alltag verändert, sagt Kibria. Früher habe er sich am Wochenende höchstens mit Freunden in einem Restaurant getroffen, denn mehr Freizeitangebote gebe es nicht. «Den ganzen Tag beschwerten wir uns über den Verkehr und darüber, dass es keine interessanten Orte mehr gibt, dass die Verantwortlichen mal die Stadt in Ordnung bringen sollten und dass wir kaum noch ins Fitnessstudio gehen.» Dank des Radfahrens seien die Probleme verschwunden.

Auch Mohammad Manzurul Quader (34), Karate-Trainer, fährt täglich Rad. «Ich nutze es für den Arbeitsweg. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln brauche ich für die elf Kilometer anderthalb bis zwei Stunden», erzählt er. Mit dem Fahrrad seien es nur 35 Minuten, denn damit er könne den wild parkenden Autos und überfüllten Bussen ausweichen.

Die Fahrrad-Begeisterten betonen, dass sie stets Helm tragen und mit Licht fahren, dass sie umweltfreundlich sind und sich dadurch fit halten. Über die Abgase machen sie sich dagegen kaum Gedanken. «Dem schwarzen Rauch entkommen wir ohnehin nicht, den atmen wir auch ein, wenn wir auf dem Motorrad oder in einer Auto-Rikscha sitzen», sagt Manjur Morshed, ein weiterer Radler.

Mittlerweile seien sie so viele, dass sie sich auch online organisieren können, wenn jemand etwa nachts nach Hause fahren wolle und aus Sicherheitsgründen Begleitung suche, sagt der Pilot Mahruf Ahmed (29). «Auch Schulen, Hochschulen und Firmen haben jetzt ihre eigenen Seiten, mit deren Hilfe sie sich zum Pendeln treffen.»

Wichtig sind auch das Blog und das Forum auf der eigenen Homepage der BDCyclists. «Dadurch können wir zum Beispiel gestohlene Fahrräder wiederfinden», sagt Ahmed. Das klappe, weil viele potenzielle Käufer so Bescheid wüssten, welche Räder illegal angeboten würden. Außerdem hilft das Forum Neulingen, Fragen zu klären, die sie in ihrem Offline-Leben niemandem stellen können: Schwitze ich nicht, wenn ich kilometerlang zur Arbeit fahre? Wo finde ich Pfade zum Mountainbiken?

«Die Nachfrage nach Fahrrädern stieg in den vergangenen zwei Jahren signifikant», sagt Nurul Haque, Generalsekretär des Verbands der Fahrradhändler und -importeure Bangladeschs. In Dhaka stehen in den Schaufenstern nun Trekking-Fahrräder, Klappfahrräder, Beach-Cruiser, Kinderräder, Free-Style-Bikes und viele weitere Typen. Händler Mainul Islam erzählt, teilweise übertreffe die Nachfrage das Angebot.

Die Jugend motze heutzutage ihre Räder auf, statt in den Straßen herumzulungern, sagt Pilot Ahmed. «Und sie setzen sich neue Ziele. Früher prahlten sie damit herum, wer wie viele Zigaretten pro Tag rauche. Heute geben sie mit ihrem Geschwindigkeitsrekord auf dem Fahrrad an, oder vergleichen mit ihren Apps, wer wie viele Kilometer in einem Monat fährt.»