Familie und Erziehung: Muslimische Eltern im Westen stehen in Sachen Erziehung vor spezifischen Aufgaben. Von Maria Zain

Ausgabe 207

Wir können über den „konservativen“ Osten streiten und über die Erziehungsmethoden, welche die dortigen Eltern praktizieren. Oder wir können über das Aufziehen von Kindern im Westen reden und die dort vorherrschenden Ansätze, um den Nachwuchs zu erziehen.

Medien, Unterhaltungsindustrie, Gruppendruck und im Westen akzeptable sozialen Normen – wie Alkohol oder voreheliche, geschlechtliche Beziehungen – sind oft eine Zumutung für muslimische Famili­en. Auch wenn es scheinbar sicherer sein mag, Kinder in mehrheitlich muslimischen Ländern groß zu ziehen, haben Satellitenfernsehen und das Internet auch dort zu einer Veränderung gesellschaftlicher Konventionen geführt. Auch an solchen Orten sind die Einsätze muslimischer Eltern erheblich gestiegen.

Aber egal, wo wir sein mögen: Es gibt immer grundlegende Richtlinien, die Eltern dabei helfen können, den geschützten Raum der Familie aufrechtzuerhalten. Jener ermöglicht es Kindern, ungeachtet solcher Widrigkeiten aufzublühen.

Ein glückliches Zuhause
Glückliche Kinder sind leichter zu verstehen. Man kann einfacher mit ihnen reden und sie sind offener in der Mittei­lung ihrer Bedürfnisse. Solchen Kindern fällt es auch nicht schwer zu teilen oder ein Gefühl von Sicherheit zu spüren. Und sie kehren immer wieder zu den Leuten zurück, die sie am meisten lieben – ihren Eltern. Das Aufwachsen zufriedener Kindern ist wichtig. Dafür müssen Eltern ein Zuhause schaffen, dass selbst voller Glück ist.

Der erste Schritt dazu ist die bedingungslose Liebe für die Kinder. Jene, die sich geliebt fühlen, werden das empfangene Mitgefühl zurückgeben können. Das Zeigen von Liebe kann durch viele Umarmungen, durch das ungeteilte Verbringen gemeinsamer Zeit, familiäre Ak­tivitäten, die Ermutigung von Stärken und die Bereitstellung von Führung und Disziplin – wenn dies geboten ist – in Erscheinung treten.

Es versteht sich von selbst, dass dies in Erinnerung Allahs, dem Allmächtigen, geschieht. Muslimische Eltern dürfen nicht außer Augen verlieren, dass jede Handlung um Allahs willen getan ­werden sollte. Und im Verlangen, einen Muslim zu erziehen, der den Menschen nutzt – egal, wo er lebt. Ein glückliches Zuhaue kann es nicht ohne die Beteiligung der Eltern geben. Mütter und Väter ­müssen sich aktiv am Aufwachsen ihrer Kinder beteiligen.

Geschichten des Qur’ans
Ein Zuhause ohne Wissen vom Qur’an ist ein Zuhause der Hoffnungslosigkeit und der Irreführung. Das Lesen des Qur’ans und ein Nachdenken über seine Bedeutungen, unabhängig von der Men­ge, hilft bei der Anleitung und Erziehung von Kindern. Auch Eltern, die nicht versiert sind im Lesen des Offenbarung, sollten ihr Wissen – unabhängig von seinem Umfang – an ihren Nachwuchs weiterge­ben. Denn es liegt auch ein Segen für jene verborgen, die ihrerseits Probleme bei der Lektüre der Offenbarung haben.

Das soll aber nicht heißen, dass Eltern es hierbei belassen müssen. Familien sollten das Verlangen haben, die Botschaft des Qur’an zu studieren und zu ­verstehen und es gibt viele Wege, dies zu tun. Beispielsweise durch online-Kurse oder durch Hilfe von jenen, die ein bisschen mehr wissen.

Kinder, die in einem Umfeld der Qur’an­lektüre aufgezogen werden, gedeihen als Muslime. Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder Huffaz (Menschen, die den Qur’an auswendig beherrschen) und ermutigen sie dazu. Man stelle sich vor, welchen Schatz Kinder in dieser Welt haben, wenn sie den gesamten Qur’an im Herzen tragen… Den Kindern zuhören

Mit unserem Nachwuchs zu sprechen und ihm zuzuhören, ist der Schlüssel zu jeder Kommunikation. Kindern muss zugehört werden und sie müssen sich verstanden fühlen, damit sie ein Gefühl der Sicherheit haben. Wissen sie, dass ihre Kinder ihnen unvoreingenommen zu­hören, haben sie keine Hemmungen, sich bei Problemen zu öffnen, Fragen zu stellen, wenn Zweifel bestehen und mit ihren Schwierigkeiten „nach Hause“ kommen.

Viele Familien verlieren den Kontakt mit der nächsten Generation, weil sie aufhören mit ihr zu kommunizieren. Viele Eltern sprechen mit ihren Kindern, aber vergessen das Zuhören. Dies lässt diese alleine zurück und zwingt sie zu ihren eigenen Entscheidungen, wenn sie Anleitung brauchen. Geraten sie dann in Schwierigkeiten, kann es passieren, dass sie Hilfe außerhalb ihres Elternhau­ses suchen. Eine solche Tendenz kann sich zu einem Teufelskreis auswachsen, denn die Kinder entfernen sich zusehends von ihren Eltern, was die Gräben innerhalb der Familie noch weiter vertieft.

Das Zuhören der Kinder stellt auch eine Realitätsprüfung für die Eltern dar, weil Kinder ein Spiegel ihres Verhaltens sind. Das gemeinsame Feiern des Erreichten, etwas Neues zusammen lernen, die Lebensgeschichte des Propheten (Sira) vor dem Schlafengehen vorlesen, die Beilegung von Konflikten usw., all des sind Elemente für ein Zusammenwachsen der Familie.

Kinder, die sich sicher fühlen und selbstbewusst sind, sich mitzuteilen, ­werden auch in der Umwelt selbstsicher auftreten können. Sie werden dann in die Lage versetzt, Entscheidungen für sich zu treffen, gegen Unrecht aufzustehen und sich wirksam auszudrücken – wo und wann dies notwendig wird.

In guter Gesellschaft
Gute Freunde zu haben ist genauso wichtig wie der Aufbau einer starken Familieneinheit – für Kinder und für Eltern. Gleichgesinnte Eltern zu finden hilft den Kindern, ihren Glauben und ihre muslimische Identität zu bilden.

Es ist einfacher, Kinder aufzuziehen, wenn sie sehen, dass ihre Freunde ­ebenso aufwachsen wie sie und dass sie eine Be­ziehung zu ihnen aufbauen können. Es kann den Kindern helfen zu verstehen, dass es nicht notwendigerweise eine gute Sache ist, Alkohol zu trinken oder durch die Diskos zu ziehen. Kein Muslim ist eine Insel und kein Kind sollte als Einsiedler leben. Stattdessen sollten sie alle Lebensbereichen kennenlernen, solange sie in guter Gesellschaft sind. Dies hilft ihnen, die guten Verhaltensweisen von den schädlichen zu unterscheiden.

Allahs Barmherzigkeit überwindet alle Hindernisse – unterschiedliche Kulturen, Erziehungsstile, geographische Orte und verschiedene Herausforderungen der Kindererziehung. Am Ende des Tages wird Allahs Beschluss eintreffen. Daher ist es wichtig, zuerst auf Allah zu vertrauen und den Glauben an die Einheit Allahs (Tauhid) in unseren Kindern zu bestärken. Es kann eine Prüfung sein, Kinder in einer Welt aufzuziehen, die immer stärker von Versuchungen durchzogen ist. Aber das Vertrauen auf Allah wird helfen Kinder zu bilden, die auf dem Geraden Weg bleiben wollen.