Forscher: Churchill dachte an Übertritt zum Islam

Ausgabe 236

London (KNA). Der britische Staatsmann Winston Churchill (1874-1965) liebäugelte nach einem jetzt aufgefundenen Brief zeitweise offenbar mit einem Übertritt zum Islam. Laut der britischen Zeitung «The Telegraph» (Onlineausgabe Sonntag) bedrängte seine Schwägerin Gwendoline Bertie den damals 42-Jährigen, kein Muslim zu werden.

«Bitte bekehre dich nicht zum Islam», schrieb Bertie im August 1907 an Churchill. «Ich habe in deiner Geisteshaltung eine Tendenz zum Orientalisieren bemerkt.» Churchill seinerseits schrieb im gleichen Jahr an die Frauenrechtlerin Constance Bulwer-Lytton, eine enge Bekannte: «Du wirst mich für einen Pascha halten; ich wünschte, ich wäre einer.»

Entdeckt wurde der Brief Berties laut «Telegraph» von dem Cambridge-Historiker Warren Dockter bei Forschungen zu seinem neuesten Buch «Winston Churchill and the Islamic World: Orientalism, Empire and Diplomacy in the Middle East» (Winston Churchill und die islamische Welt. Orientalismus, Königreich und Nahostdiplomatie).

Dockter zufolge betrachtete Churchill in einer für seine Zeit ungewöhnlich liberalen Haltung nicht nur den Islam und das Christentum als gleichwertige Religionen, sondern bewunderte auch die militärische Leistung und die Erfolge des Osmanischen Reichs. Im privaten Zusammensein mit dem Dichter Wilfrid Scawen Blunt, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, trug Churchill gern arabische Kleidung. Seine Auffassung vom Islam sei wesentlich aber von einem romantisierenden Bild vom «nomadischen Lebensstil und dem Ehrenkodex der Beduinenstämme» geprägt gewesen, so Dockter.

Im Oktober 1940, mitten im Krieg mit Deutschland, billigte Churchill als Premierminister den Plan für eine Moschee im Zentrum Londons und stellte dafür 100.000 Pfund bereit. Damit hoffte er nicht zuletzt Unterstützung für Großbritannien aus der islamischen Welt zu erhalten.