Fortsetzung der ökonomischen Verhältnisse befördert Extremismus

Ausgabe 284

Foto: World Economic Form | Ciaran McCrickard, via flickr | Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

(iz). In Deutschland steigerten die Milliardäre ihr Vermögen im vergangenen Jahr um 20 Prozent, wie aus dem aktuellen Oxfam-­Bericht hervorgeht. Insgesamt verfüge das reichste Prozent der Bevölkerung jetzt über ebenso viel Vermögen wie die 87 ärmeren Prozent. Das ist schockierend.
Wichtig ist hier allerdings die systemischen Voraussetzungen für diese extreme Entwicklung im Blick zu behalten: die wundersame Geldvermehrung und die Widersprüche der globalen Geldpolitik. Es ist kein Zufall, dass wir hier – seit der letzten Finanzkrise 2007 – aus dem politischen Spektrum keine echten Angebote zur Auflösung dieses Kernproblems des heutigen Kapitalismus vernehmen.
Weder die Forderung nach einer Vermögensteuer, noch die Rückkehr zum Nationalstaat alter Prägung sind letztlich Lösungsansätze, die das Problem der expansiven Geldpolitik grundsätzlich angehen. Das Elitetreffen in Davos verdeutlichte die Sackgasse, in der sich die Welt diesbezüglich befindet. „Die Zeit des billigen Geldes ist wohl für die ­Ewigkeit“, fasste der Fondsmanager Alberto Gallo die trostlose Botschaft der Konferenz zusammen.
Die langfristigen Folgen dieser Politik auf die künftigen Vermögensverhältnisse, die Renten und die Verschuldung nachfolgender Generationen dringen nur langsam in das öffentliche Bewusstsein. Das ist fatal. Der ehemalige Finanzminister Griechenlands Varoufakis weist zu Recht auf den drohenden Abgrund für unsere Demokratien hin. Für ihn begründet sich Hinwendung der europäischen Bevölkerungen zum Extremismus in erster Linie aus ihrer ökonomischen Lage, die sich wiederum aus den Symptomen jeder Geldkrise, sei es Deflation oder Inflation, ergeben. Der soziale Abstieg der Mittelschicht ist gleichzeitig der Nährboden für rechte und linke Ideologie.
Die moderne Geldkritik hat dagegen nichts mit einem Ressentiment gegen das Phänomen von Reichtum und Erfolg zu tun, sie beruht weder auf Sozialneid, noch folgt sie der ­simplen Logik „wir sind arm, weil ihr reich seid“. Wer gegen das Faktum globaler ­Ungerechtigkeit ankämpfen will, sollte sich insoweit vor dem Rückfall in alte ideologische Muster befreien. Man denke hier nur an das gesellschaftliche Großexperiment des 20. Jahrhunderts, mit all seinen verheerenden Folgen, dessen ideologische Grundlage das Postulat absoluter Gleichheit war.
Die geschichtliche Erfahrung Europas mit Nationalismus und Staatssozialismus ruft nach einem dritten Weg. Ein vereinigtes Europa muss schnellstmöglich den Beweis führen, dass es kein Eliteprojekt der Reichen Europas ist.
Wie immer man die Fakten des Oxfam-Berichts letztlich bewertet, die gesellschaftliche Unruhe in Europa, man denke nur an die Gelbwesten Bewegung in Frankreich, ist nicht mehr zu übersehen. Hier schließt sich gleichzeitig der Kreis. Unter dem Druck der Straße könnten auch europäische Staaten der Verführung unterliegen, sich für einen autoritären Kapitalismus zu entscheiden. Dann wäre die Freiheit in Gefahr, sich künftig gegen das systemische Unrecht ­überhaupt noch effektiv zu wehren.