Furcht vor dem Hass

Ausgabe 247

Muslimische Führer in den USA nannten die aktuelle Welle rassistischer Äußerungen und Übergriffe in ihrem Land schlimmer als die vergleichbare nach den Anschlägen vom 11.09.2001. In den letzten Monaten häuften sich die Nachrichten über erfolgte Anschläge gegen einzelne Muslime und Moscheen. Muslime suchen jetzt nach Bündnissen.

(IZ/Agenturen/CAIR). Nach dem 11.09.2001 und der Welle der Vorurteile im Westen galten die USA manchem als Ausnahme zur anti-religiösen Stimmung. Selbst die Bush-Administration wies trotz ihrer aggressiven Kriegspolitik die Vorstellung zurück, einen „Krieg gegen den Islam“ zu führen.

Beobachter machten für den jetzigen Ausbruch anti-muslimischer Rhetorik auch den Wahlkampf von Donald Trump verantwortlich. Der schillernde Bauunternehmer hatte sich im Präsidentschaftswahlkampf mehrfach abfällig über Muslime geäußert und ein Einreiseverbot gefordert. Einer Befragung des Meinungsforschungsinstitutes YouGov zufolge befürworten 40 Prozent seinen Vorschlag, Muslime in einem Register zu erfassen. Das Meinungsforschungsinstitut PPP will festgestellt haben, dass mindestens 30 Prozent der Republikaner Islam verbieten wollen.

Als politischer Hintergrund kommt nach Ansicht mancher hinzu, dass die Schwächung der politischen Mitte den Aufstieg von Sektierern und Populisten massiv erleichtert habe. Die jetzige, auch von „Nachrichtensendern“ wie FOX, aufgeheizte Hysterie steht im Widerspruch zur eigentlichen Bedrohungslage. Nach Ansicht des Journalisten Scott ­Shane in der „New York Times“ stellen christliche/„weiße“ Extremisten die größte Gefahr dar. „Seit dem 11.09.2001 wurden rund doppelt so viele Menschen durch weiße Rassisten, regierungsfeindliche Fanatiker und andere getötet als durch radikale Muslime.“ Auch Behörden müssten nach Angaben des Experten Dr. Charles Kurzman einräumen, dass die Bedrohung durch Rechtsterroristen deutlich größer sei als die „übertriebene Gefahr des Dschihadismus“. Nach Amtsantritt von Barack Obama wurden mehrere Bemühungen von Behörden zur Erforschung rechtsgerichteter Extremismus durch Republikaner unterbunden. Sie vermuteten dahinter eine Schmierkampagne gegen Konservative.

Die Demokraten platzierten sich eindeutig. Hillary Clinton und Bernie Sanders griffen Trump frontal an. Seine Äußerungen seien „verwerflich“. Für den parteilinken Sanders seien die Ansichten des Tycoons vergleichbar mit Nazi-Rhetorik. „In diesem Augenblick, mit all den Ängsten und Sorgen, die die Menschen wegen des Terrors und der Wirtschaft haben, gibt es da draußen Demagogen. Leute wie Donald Trump, die wieder einmal versuchen, uns auf rassistische (…) Art und Weise zu spalten.“ Josh Earnest, Pressesprecher des Weißen Hauses, erklärte am 8. Dezember, mit solchen Äußerungen habe er sich für das Präsidentenamt disqualifiziert.

Angesichts der erhitzten Debatte sowie massiver Übergriffe gegen ihre Einrichtungen fürchten US-Muslime um ihre Sicherheit. „Es ist so schlimm wie seit den Tagen nach dem 11. September nicht mehr“, klagte Ibrahim Hooper, Sprecher des Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen (CAIR). „Wir bewegen uns in einer Atmosphäre zwischen Hysterie und Angst“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur KNA.

Am 21. Dezember trafen sich in Washington Führer der US-Koalition muslimischer Organisationen (USCMO), um eine nationale Kampagne gegen Islamfeindlichkeit vorzustellen. Die derzeitige „Welle“ beschrieben sie als „schlimmer als das Klima nach dem 11. September 2001“. Damals habe es eine „zusammenhängendere und vereinte Front gegen Gewalt“ gegeben, sagte der CAIR-Vertreter Nihad Awad. „Awad machte die „riskante politische Rhetorik von Präsidentschaftskandidaten“ und die Köpfe des 24-Stunden-Nachrichtenzyklus dafür verantwortlich. Geplant sei unter anderem die Mobilisierung von einer Million zusätzlich geplanter Wähler.

Vor diesem Treffen gab es einen Sicherheitsgipfel, an dem mehr als 100 amerikanisch-muslimische Führer teilnahmen. Auf der Notfallsitzung diskutierten sie Gegenmaßnahmen. Sie haben allen Grund dazu: Von den Vororten in Los Angeles bis zum Stadtrand Washingtons ängstigen sich Moscheegemeinden. An vielen Orten wird die Sicherheit erhöht. Einige haben angefangen, mit dem Amt für Heimatschutz zu kooperieren, um die Sicherheit ihrer Einrichtungen und der Gläubigen zu gewährleisten. Dazu gehört stellenweise auch die Anwerbung bewaffneter Wachen. „Wir sorgen uns immer um Angriffe durch bewaffnete Einzelgänger“, sagte Usama Shami, Präsident der Moschee von Phoenix.

Das Ausmaß der Bedrohungslage gerät nach Ansicht vieler außer Kontrolle. An mehreren Orten kam es zu Übergriffen gegen Moscheen sowie gegen einzelne Muslime. Im kalifornischen Palm Springs wurde auf das Gebäude der dortigen Islamic Society ein Brandanschlag verübt. Stunden vorher wurden zwei Frauen auf ihrem Heimweg aus der Moschee in Tampa, Florida, angegriffen. Auf eine Muslimin wurden Schüsse aus einem fahrenden Auto abgegeben. Eine andere wurde mit Steinen und Gegenständen beworfen. Zum folgenschwersten Zwischenfall soll es in Seattle gekommen sein. Dort starb der somalischstämmige Schüler Hamza Warsame nach einem Sturz aus dem 6. Stock.

Hassan Shibly, von CAIR-Mitglied Florida, beschrieb die Lage: „Unsere Albträume sind wahr geworden.“ Nach seinen Angaben erhalte er täglich Berichte anti-muslimischer Vorfällen; und dabei nur aus seinem Bundesstaat. Er machte Trump und andere verantwortlich, die Flammen der Islamfeindlichkeit anzuheizen. Die NGO blieb nicht verschont: Am 11. Dezember mussten die Räumlichkeiten der nationalen Zentrale nach einer Drohung geräumt werden.

Donald Trumps Rhetorik hatte im Ausland Folgen. Geschäftspartner beziehungsweise Firmen, die Teil seines Franchise sind, lassen die Kooperation ruhen. „Momentan untersuchen wir die rechtlichen Aspekte unserer Beziehung zu dem Markennamen“, meint Bülent Kural, Generalmanager von Trump Tower Istanbul, gegenüber Voice of America. Die Anlage ist ein 400 Millionen US-Dollar teurer Riesenkomplex, der 2012 eröffnet wurde. In den Arabischen Emiraten entfernte DAMAC Properties Trumps Bild aus der Werbung von Baustellen. Im Emirat Dubai räumte die Landmark Group Inneneinrichtungsprodukte aus den Regalen, die von dem US-Amerikaner produziert werden . Der Grund, so Associated Press, seien die „Werte und der Respekt vor den Gefühlen unserer Kunden“.

US-Muslime verharren nicht in ängstlicher Passivität. So beteiligten sie sich an einem Treffen von Religionsführern in New York. Dort wurde ein Ende der anti-muslimischen Hasswelle gefordert. Im ganzen Land kam es zu solchen Aktionen. Bis auf die individuelle Nachbarschaftsebene haben sich viele US-Amerikaner mit ihren muslimischen Mitbürgern solidarisiert. In den sozialen Medien machte das Bild eines kleinen Jungen die Runde, der sein Erspartes einer Moscheegemeinde übergab, die durch einen Brandanschlag beschädigt wurde.

In Janesville, im Bundesstaat Wisconsin, bemühen sich die lokalen Muslime um den Aufbau einer „stabilen Beziehung“ zu den Leuten. Das berichtet Salih Erschen, Präsident des dortigen Muslim Dawa Circle. Obwohl es die Gemeinde erst seit einigen Monaten gebe, sei die Aufklärung der Mitbürger über den Islam in vollem Gange.

Zu den Auslösern für die Hasswelle gehörten die Untaten eines muslimischen Paares im kalifornischen San Bernadino. Hier wollen Muslime ausgleichen. Faisal Qazi, Neurologe aus Kalifornien, startete eine landesweite Kampagne, um den Angehörigen der Opfer zu helfen. Innerhalb von vier Tagen nach dem Anlaufen spendeten Muslime bereits mehr als 100.000 US-Dollar. Er erwartete, nicht mehr als 20.000 mit seinem Hilfsverein zu sammeln. Aber muslimische Gelehrte und Führer riefen zu seiner Unterstützung auf. Die Bemühung des Arztes wurde schnell zur erfolgreichsten muslimischen Crowdfundingkampagne überhaupt. Mehr als 1.000 Spender in den gesamten Vereinigten Staaten haben über 100.000 US-Dollar via Muslims United for San Bernardino für die Hinterbliebenen gegeben.

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