Geschichte: Abdullah Cakir erinnert an den spätosmanischen Autor Mahmud Mukhtar Pascha

Ausgabe 243

(iz). In meinem vorletzten Beitrag in der IZ, genau vor einem Jahr, habe ich den bescheidenen Versuch unternommen, den vergessenen „Türkischen Catechismus“, die über 200-jährige Übersetzung des „Sherch-i Akaid“ des Imam Taftazani, bekanntzumachen. Ich versprach am Ende des Artikels, mit weiteren kaum oder nicht bekannten Werken fortzufahren, die mindestens seitens der Muslime Anerkennung verdienen.

Vor über zehn Jahren besuchte ich eines Tages ein Antiquariat. Als der Besitzer mich nach meiner Herkunft fragte, und ich „aus der Türkei“ sagte, freute er sich vermutlich deswegen, weil er hoffte, vielleicht einige spezielle Bücher verkaufen zu können. Er brachte zwei Werke, die ich mir ansah und mir wurde schnell klar, dass ich sie erwerben musste. Eines war „Die Welt des Islam im Lichte des Koran und der Hadithe“ von Mahmud Mukhtar Pascha aus dem Jahre 1915, das in Weimar publiziert wurde. Es war in sehr gutem Zustand. Derart, dass man zweifeln könnte, ob es jemals gelesen wurde.

Der Name „Mukhtar Pascha“ („kh“ als „ch“ gelesen) ist für die gebildeten Türken ein Begriff. Aber nicht Mahmud Mukhtar Pascha, sondern Ahmed Mukh­tar Pascha, der Vater Mahmud Mukhtar Paschas. Marschall Ahmed Mukhtar Pascha (1839-1919) war ein vielseitig gebildeter General der Osmanischen Armee und war auch 1912 kurzzeitig Großwesir des Osmanischen Reiches. Er war ein Held für Staat und Volk, da seine Truppen im Krieg mit den Russen in den Jahren 1876-1877 im Nord-Osten Anatoliens die überaus stärkere russische Armee aufhalten konnten.

Sein Sohn Mahmud Mukhtar (1867-1935) machte ebenfalls in der Armee Karriere. Er absolvierte 1888 die Metz-Militärakademie im Wilhelminischen Kaiserreich, wie viele junge osmanische Offiziere. Danach diente in der Preußischen Armee fünf Jahre lang als Leutnant. Daraufhin ging er in seine Heimat und lehrte an der Osmanischen Militärakademie „Harbiye“. Die Osmanische Armee war gegen Ende des 19. Jahrhunderts „preußisch geprägt“. Im Osmanisch-Griechischen Krieg von 1897 und in den Balkankriegen 1912-1913 nahm Mahmud Mukhtar Pascha teil. In den Jahren 1913-1917 war er als Osmanischer Botschafter in Berlin tätig. Es waren die Kriegsjahre des 1. Weltkrieges, in denen die Osmanen mit den Deutschen, Österreichern und den Bulgaren gegen die „Entente“ – Großbritannien, Frankreich, Russland und viele andere Krieg führten.

1917 hatte der Pascha starke Differenzen und Streit mit dem Putschisten Enver Pascha, der das Reich mit Cemal und Talat Pascha regierte. Er kündigte alle seine Ämter und lebte fortan in Ägypten, zeitweise in Istanbul und in Europa. Er starb 1935 auf der Reise nach Neapel. Sein Grab befindet sich in Ägypten. Er schrieb seine Kriegserinnerungen zum Balkankrieg auf, die auch ins Deutsche übersetzt worden sind. Ferner seine Lebenserinnerungen „Maziye bir bakis“ und „Aci bir hatira“ 1925 und 1932 in Damaskus.

Während des 1. Weltkrieges gab es aus politischen Gründen Bedarf, die Welt der Muslime und insbesondere der Osmanen in Deutschland vertrauter zu machen. So erschien das genannte Buch vor genau 100 Jahren.

Mir ist nicht bekannt, dass es ein noch älteres Werk aus muslimischer Feder in deutscher Sprache über den Islam gibt. Zumindest fällt mir keines ein. Es umfasst 180 Seiten und ist in Frakturschrift gedruckt. Das Buch beinhaltet alle grundlegenden Bereiche des Islam, ohne in die Tiefe zu gehen. Dennoch werden wichtige Zusammenhänge, die man kaum in anderen Werken findet, hergestellt und sie machen den Reiz dieses Buches aus. Gleichzeitig wird nicht „zu wenig“ vermittelt, sodass ein Leser ohne Vorkenntnisse gewissermassen systematisch Zugang findet und dabei nicht überfordert wird. Sprachlich ist es flüssig und in einem sehr guten Deutsch geschrieben.

Man mag verwundert sein, dass ein Offizier dermaßen in der Religion ausgebildet war. Das Bildungssystem der Osmanen beinhaltete eine umfassende Ausbildung in Religion. In allen Kasernen und Militärschulen war beispielsweise das fünfmalige rituelle Gebet obligatorisch.

Das Buch behandelt die Moral im Islam in einem Umfang von 30 Seiten. Zu Beginn des Kapitels schreibt der Pascha: „Was vom Islam vielleicht am allerwenigsten in der christlichen Welt bekannt ist, ist die unübertroffene Reinheit und Tiefe der im Koran und durch die Hadithe gepredigten Moral. Selbst bei Leuten, die viel im Orient unter Mohammedanern lebten, trifft man selten jemand, der die sonst zugestandenen großen sittlichen Eigenschaften der Bekenner des Islams auf die sehr tiefe und umfassende Morallehre ihrer Religion zurückführt. Dagegen ist die Meinung, daß die islamische Moral gerade genügt, um das niedere Volk im Zaune zu halten, sehr verbreitet. Unter sehr vielen Ayets und Hadithen, welche man den Schätzen der islamischen Moral entnehmen kann, habe ich, um diesem Irrtum abzuhelfen, im Folgenden eine kleine Anzahl solcher ausgewählt, welche geeignet sind, auch ohne weitere Deutung genügend aufzuklären.“

Ein Kenner der Welt des Islam, Professor Dr. Friedrich Delitzsch, schrieb über die islamische Moral Folgendes: „Was nun die Sittenlehre des Korans betrifft, zu welcher die Betrachtung der religiösen Pflichten des Muslims von selbst überleitet, so hat man mit Recht gesagt, daß der Koran von den schönsten sittlichen Vorschriften wie mit Goldfäden durchzogen sei. In der Tat straft der Prophet als gottlose Untugenden: Ungerechtigkeit und Rachsucht, Eitelkeit und Hochmut, Lüge, Heuchelei, Verleumdung, Schmähung und Spott, Geiz und Verschwendung, Ausschweifung jeglicher Art, und empfiehlt als Gott wohlgefälligste Tugenden: Redlichkeit und strenge Rechtlichkeit, Nachsicht, Versöhnlichkeit, Barmherzigkeit auch gegen die Tiere, Demut und Bescheidenheit, Wahrhaftigkeit, vornehmes Sichfernhalten von Geschwätz, Züchtigkeit und Genügsamkeit, Geduld und Ausdauer.“ (Welt des Islams“, Prof. Dr. Delitzsch, S.97, Berlin, 1915)

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