Glaube hinter Gittern

Ausgabe 281

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(KNA). Cüneyt Özdemir* – männlich, muslimisch, jung – kennt sich mit Vorurteilen aus. Und er nimmt sie mit Humor. Als Seelsorger ist er für Häftlinge in 17 Anstalten zuständig. „Dass ein Muslim nicht als Gefangener, sondern als Betreuer ins Gefängnis kommt, ist für die meisten ganz neu“, erzählt der 27-jährige Theologe mit einem leichten Lächeln. Und zwar sowohl für die Gefangenen als auch für das Aufsichtspersonal. „Meistens werde ich zunächst automatisch als Gefangener behandelt“, berichtet der Seelsorger.
Einmal musste er 40 Minuten vor den Gefängnismauern ausharren, bevor man ihm erlaubte, die Anstalt zu betreten. „Da wurde das Justizministerium konsultiert, damit ich überhaupt reinkam.“ Solche Probleme kennt Friederike Hasse – weiblich, christlich, grau­haarig – nicht. Die evangelische Pfarrerin betreut seit Jahren straffällig gewordene Frauen in den Berliner Justizvollzugsanstalten. Beim Berliner Verein „Forum Dialog“ erzählten der Muslim und die Protestantin von ihren Erfahrungen.
Während die Gefangenen­seelsorge bei Christen eine lange Tradition hat, befindet sie sich bei den Muslimen allerdings noch im Aufbau. Rund 73.000 Menschen sind nach aktuellen Zahlen zurzeit in Deutschland inhaftiert, darunter 4.000 Frauen. Bei den inhaftierten Frauen ausländischer Herkunft im Bundesland Berlin ist der Anteil der Muslime gering, unter ausländischen Häftlingen in Niedersachsen sind sie dagegen die größte Gruppe, wie die beiden Experten berichten.
Zum Thema saqt Özdemir: „Der Prophet sagt, dass man Menschen, die Unrecht begehen, davon abhält, weiteres Unrecht zu begehen, wenn man ihnen hilft.“ Genau das sei auch seine Motivation: Es gelte, vorhandene Aggressionen in eine positive Richtung zu lenken und den ­Gefangenen im Hinblick auf die Zukunft außerhalb des Ge­fängnisses etwas an die Hand zu ­geben.
„Ich bin 27 Jahre alt, mir ging es mein ganzes Leben lang gut“, sagt er. „Im Gefängnis spreche ich manchmal mit Menschen, die dieses Gefühl noch nie kennengelernt haben.“ Manche weinen einfach minutenlang. Da sein, zuhören, die Gewissheit geben, dass das Beichtgeheimnis gewahrt bleibt: Die Seelsorger beider Religionen finden in ihrer Arbeit dieselben Dinge wesentlich.
* Name von der Redaktion geändert.