GroKo-Papier enttäuscht bei Thema Islam

Ausgabe 273

Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons | Lizenz: CC-BY-SA 3.0

(iz). Die Große Koalition steht – wieder. Ihr 170-seitiger Vertrag gelangte zeitnah an die Öffentlichkeit und wurde verschiedentlich diskutiert. Nur wenigen scheint dabei aufzufallen, dass die Absätze bezüglich Islam und Muslimen sich lesen, als kämen sie vom rechten Rand. Sieben Mal wird darin von „Islam“ gesprochen. Die Relativität ist hier entscheidend, ebenso der Kontext. Denn „Islam“ ist in dem Papier fast ausschließlich negativ konnotiert. „Rechtsextremismus“ kommt auch vor – ein einziges Mal. Und das in einer Aufzählung, gegen welche Phänomene man Programme intensivieren möchte.
Wann auch immer der Begriff „Islam“ fällt, wird es beängstigend. Die Angstindustrie scheint bis in die Spitzen der beiden großen Volksparteien durchgedrungen zu sein. Es dreht sich auch viel um „Islamismus“, einer Zuschreibung, die vielerorts grassiert. Es hinterlässt einen faden Beigeschmack, dass die neue Bundesregierung mit solchen Begriffen operiert. Zumal es keine akzeptable, geschweige denn juristische Definition von „Islamismus“ und „islamistisch“ gibt und die Bezeichnungen für absurde Schnittmengen gebraucht wurden. So ist der mordende Daesh-Terrorist laut Politik und Medien „islamistisch“, aber auch der brave deutsche Bürger, der Mitglied in einer Moschee ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kann als solcher gelten.
„Wir werden den radikalen Islam in Deutschland zurückdrängen“, titeln CDU/CSU und SPD. Was dieser „radikale Islam“ sein soll, wird nicht weiter erklärt. „Radikalisierte Moscheen werden wir beobachten und gegebenenfalls schließen.“ Zudem fordern wird erkennbar eine Deutschpflicht für Moscheen gefordert: „Wir erwarten, dass Imame aus dem Ausland Deutsch sprechen.“ Dabei gilt es zu erwähnen, dass dies nicht für die über 2.000 Priester und Pfarrer aus dem Ausland gilt, die ebenfalls fremdsprachig predigen.
Ab wann ist man „Islamist“? Nach Urteilen von Politikern und Medien fällt man schnell in diese Kategorie. So traf die Bezeichnung bereits alle muslimischen Verbände, auch wenn diese wie niemand sonst inhaltlich gegen Extremismus und Terrorismus einstehen. Da der Begriff nicht definiert ist, bleibt ­niemand vor ihm geschützt. Und die ­Regierung benutzt ihn kritiklos. Sinnbildlich dafür ist, dass er vor allem im Kontext des Terrorismus genannt wird. Drei von den sieben Erwähnungen beinhalten die Floskel „islamistischer ­Terrorismus“.
Worin sich das niederschlagen kann, zeigt der ominös ausgedrückte Praxisansatz im Koalitionspapier. Der Verfassungsschutz solle verstärkt „Analyse in Angelegenheiten des islamistischen Terrorismus“ betreiben. „Auch bei solchen (Phänomenen), die zunächst keinen unmittelbaren Gewaltbezug aufweisen.“ Mit anderen Worten, der Verfassungsschutz, der in den letzten Jahren durch tiefe Verstrickung in den NSU-Terror aufgefallen ist, hat die Erlaubnis, Muslime nach Belieben zu überwachen. Es klingt, wie der Journalist Lennart Pfahler anmerkt, beinahe nach Generalverdacht.
Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Mehmet Alparslan Celebi, verglich Koalitionspapier an diesem Punkt mit „österreichischen Verhältnissen“.  Dass der „Aufschrei freiheitsliebender Menschen“ hierbei ausbleibe, sei erschreckend für ihn. Die Bundesregierung setzt ein unmissverständliches Zeichen. Rechtsextremismus bleibt weiterhin größtenteils randständig und Muslime sind Thema der Sicherheitspolitik; jedoch kein, die um den Schutz muslimischer Bürger bemüht ist. Das hätte man in der Bundesrepublik, Erbin der deutschen Verantwortung, in Anbetracht Hunderter Angriffe auf Moscheen und Muslime in den letzten Jahren erwarten können. Lediglich in einem Absatz wird am Ende erwähnt, ebenso „anti-islamischen Stimmungen“ entgegentreten zu wollen.
Die neue Regierung lässt Muslime wissen, dass sie die Stigmatisierung kritiklos übernimmt. Jede Moschee, jeder muslimische Bürger – sie alle müssen sich nun sorgen, in das Raster zu fallen. Auch wenn die Sprache des Koalitionspapiers nur Kalkül im anhaltenden Wahlkampf sein könnte, es geschieht auf Kosten einer deutschen Minderheit, die man mit solchen Umgangsformen benachteiligt. Kann und darf es das in unserem Land geben?