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Hanau und die Weltpolitik

Foto: Franz Johann Morgenbesser, via flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0

BERLIN (GFP.com). Die politische Rechtsverschiebung, die das Berliner Establishment nach dem Massenmord von Hanau beklagt, ist eng mit der aggressiven deutschen Weltpolitik der vergangenen Jahre verflochten. So ist der antimuslimische Rassismus parallel zu den Kriegen des Westens – auch Deutschlands – in der islamischen Welt und zum sogenannten Anti-Terror-Krieg erstarkt. Einfluss gewonnen hat er auch durch Überlegungen in den deutschen Eliten, frühere Arbeitskräfte aus der Türkei und Nordafrika loszuwerden, weil sie dem Bedarf der deutschen Industrie für den globalen Konkurrenzkampf nicht mehr entsprechen.

Popularisiert hat derartige Pläne schon vor Jahren das damalige Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, dessen Buch dazu vom mächtigen Bertelsmann-Imperium publiziert wurde. Auch Nationalismus ist vom deutschen Polit-Establishment forciert worden, während die Bundesrepublik zur klar dominanten Macht in der EU aufstieg. Die Auslandseinsätze wiederum haben in der Bundeswehr ultrarechte Kräfte befeuert. Profiteur, nicht aber Ursache dieser Entwicklung ist die AfD.

„Party-Patriotismus“ und „Pleite-Griechen“
Nationalismus ist von Politik und Medien in Deutschland bereits seit Mitte der 2000er Jahre systematisch gefördert worden – in einer Zeit, in der die Bundesrepublik dabei war, sich offen als dominante Macht in der EU zu positionieren. Ein prominentes Beispiel ist der sogenannte Party-Patriotismus, der seit 2006 unter dem Beifall der politischen Eliten regelmäßig bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften zelebriert wird. Schon kurz nach der Fußball-WM des Jahres 2006 kamen Sozialwissenschaftler in einer Untersuchung zu dem Schluss, der „Party-Patriotismus“ habe zu einem „Anstieg des Nationalismus“ geführt; dieser jedoch gehe bekanntermaßen mit einer verstärkten „Abwertung“ etwa von Migranten einher.

Seit etwa 2010 verband sich der zunehmende Nationalismus mit teils offen rassistischer Agitation gegen EU-Staaten, denen die Bundesregierung Küzungsdiktate oktroyierte; von „Pleite-Griechen“ und „faulen Südländern“ war die Rede. Selbst Kanzlerin Angela Merkel appellierte damals offen an Ressentiments: „Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“

Antimuslimischer Rassismus
Rassistische Ressentiments werden zudem systematisch im Zusammenhang mit den Kriegen und den Machtkämpfen gestärkt, die Deutschland in zunehmendem Maß führt. Exemplarisch war dies schon im Rahmen des sogenannten Anti-Terror-Kriegs seit Ende 2001 der Fall, als Muslime im Westen – nicht zuletzt in der Bundesrepublik – unter Generalverdacht gerieten und unterschiedslos staatlicher Diskriminierung, etwa polizeilicher Rasterfahndung, unterzogen wurden.

Während auch die Bundeswehr in islamischen Ländern operierte und staatliche deutsche Stellen zu Verschleppung und Folter verdächtiger Muslime beitrugen, schrieben deutsche Leitmedien, der Islam schlechthin sei „vergleichbar mit dem Faschismus“.

Damals wurde ein antimuslimischer Nährboden geschaffen, der später zum Beispiel in den Pegida-Demonstrationen, aber auch in einer von antimuslimischem Rassismus dominierten Szene von Internetaktivisten seinen Ausdruck fand. Diese Szene besteht bis heute. In ihrem Dunstkreis entwickelten nicht zuletzt die Massenmörder von Utøya (2011) und von Christchurch (2019) ihre Mordpläne.

Bundesbank-Autor, Bertelsmann-Imperium
Antimuslimische Agitation dient Teilen der deutschen Eliten seit Jahren auch dazu, die Stimmung gegen ökonomisch nicht nutzbringende Migration anzuheizen. Hintergrund ist die Überlegung, Deutschland benötige „gut ausgebildete Fachkräfte und Experten“, um sich in der globalen Wirtschaftskonkurrenz gegen ihre Rivalen durchzusetzen; diesen Gedanken formulierte im Jahr 2010 ein damaliges Vorstandsmitglied der Bundesbank. Die „muslimische Migration“ hingegen, schrieb Thilo Sarrazin damals mit Blick auf die in den 1960er und 1970er Jahren angeworbenen Arbeiter aus der Türkei und Nordafrika, sei nicht „gut ausgebildet“, sie benötige man nicht.

Sarrazins Thesen werden bis heute mit ungebrochenem Interesse in einflussreichen Organisationen deutscher Wirtschaftsexperten und Unternehmer diskutiert. Sarrazins Schrift „Deutschland schafft sich ab“, in dem der Autor Überlegungen anstellte, wie „Türken und Araber“ durch einen Mix aus Kürzungen von Sozialleistungen und aus Repression in ihre Herkunftsländer zurückgedrängt werden könnten, ist von einem renommierten Verlag (DVA) aus dem einflussreichen Bertelsmann-Imperium veröffentlicht und immer wieder neu aufgelegt worden. Bereits 2012 stieg die Zahl der verkauften Exemplare auf 1,5 Millionen. Die Breitenwirkung des Bertelsmann-Buchs hält bis heute an.

Innere Einsatzfolgen
Die Bemühungen, Deutschland im Kampf um die Weltmacht größere Schlagkraft zu verschaffen, haben nicht nur allgemein Rassismus gefördert, sondern auch in gesellschaftlichen Teilspektren zu einer klaren Rechtsverschiebung geführt. Dies trifft etwa auf die Bundeswehr zu. Bereits vor rund eineinhalb Jahrzehnten warnten Militärexperten, in den Streitkräften würden die Prinzipien der sogenannten Inneren Führung im Rahmen der Vorbereitung auf Auslandseinsätze systematisch „an den Rand gedrängt“; Slogans wie „kämpfen können und kämpfen wollen“ förderten „eine ganz eindeutig rechtslastige Motivationsstruktur“.

In der Tat sind in der Bundeswehr seit einiger Zeit ultrarechte Kreise in der Offensive; dies drückt sich in einschlägigen Publikationen, aber auch im Auftreten ultrarechter Soldatenorganisationen wie etwa Uniter aus.

„Instrument hybrider Kriegführung“
Hinzu kommt, dass regierungskritische Organisationen zunehmend unter Druck geraten und zum Teil beschuldigt werden, Instrumente fremder Mächte zu sein. So wird einer wachsenden Zahl kritischer Nichtregierungsorganisationen die Gemeinnützigkeit entzogen; zuletzt traf diese Maßnahme, die die jeweiligen Verbände in den finanziellen Ruin zu treiben droht, nach den NGOs Attac und Campact die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die seit ihrer Gründung im Jahr 1947 gegen ein Wiedererstarken der extremen Rechten und gegen Rassismus eintritt.

Die Schülerdemonstrationen für verstärkten Klimaschutz wurden im vergangenen Jahr von Kanzlerin Merkel verdächtigt, lediglich ein Instrument „hybrider Kriegführung“ zu sein: „Dass plötzlich alle deutschen Kinder nach Jahren ohne jeden … äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich nicht vorstellen“, äußerte Merkel im Februar 2019 in ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Profiteur AfD
Die autoritäre Formierung, die wiederkehrende Förderung von Rassismus – aktuell klagen Kritiker über zunehmenden antichinesischen Rassismus in den Medien – und die Rechtsverschiebung etwa bei der Bundeswehr nutzen der AfD, die ihrerseits von Teilen der deutschen Eliten gegründet wurde und bis heute getragen wird. In ihrem Erfolg kulminiert das Begleitprogramm des Berliner Establishments zur neuen deutschen Weltpolitik.