Hat die OIC versagt?

Ausgabe 287

Foto: Arman Baur, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

(HRW.org). Stellen Sie sich ein Land vor, in dem Islam als ein Verbrechen behandelt wird. Wo der Gruß „möge der Friede mit Dir sein“ bestraft wird. Ein Ort, der so repressiv ist, dass das Zuhören einer Predigt in einer Moschee oder die Rezitation eines Totengebetes aus dem Qur’an im eigenen Heim ins Gefängnis führen kann. Ein Land, in dem Halbmonde aus Friedhöfen entfernt werden, Qur’ankopien und Gebetsteppiche zu beschlagnahmen sind und Moscheen zerstört werden. Ein Land, dass Eltern und Lehrern verbietet, Kinder religiös zu unterweisen – sogar zu Hause.

Es ist schwer vorstellbar, dass solch ein Ort – mit so weit verbreiteten, brutalen Einschränkungen von Religion und Identität – im 21. Jahrhundert existiert. Aber das ist Xinjiang, eine Region im Nordwesten Chinas, unter der Herrschaft des kommunistischen Prä­sidenten Xi Jinping. Die Organisation für isla­mische Zusammenarbeit (OIC) sollte ihr volles Gewicht einsetzen, um diesen unerhörten Missbrauch zu verurteilen.

In dieser Region (auch: Ostturkestan) ist die Praxis des Islam untersagt. Dort wird eine Bevölkerung aus mindestens 13 Millionen ethnischen Uiguren sowie weiteren turkstämmigen Muslimen einer erzwungenen politischen Indoktrinierung, Kollektivbestrafung, Einschränkungen von Bewegung und Kommunikation, religiöser Unterdrückung und Massenüberwachung unterworfen. Im vergangenen Jahr berichteten Human Rights Watch und andere unabhängige Organisationen über die willkürliche Inhaftierung, Folter und Misshandlung von rund einer Million türkischer Muslime in dieser Region durch die chinesische Regierung.

Sie begehen keine Verbrechen, werden aber in Lagern zur „politischen Erziehung“ gehalten, wo man sie zwingt, Mandarin zu lernen und Lobeshymnen auf Präsident Xi und die chinesische kommunistische Partei zu singen. Es gab Berichte von Todesfällen in den Camps, verstärkte Nachrichten über physische und seelische Folter sowie Belastungen durch schlechte Bedingungen, Überbelegung und unbegrenzte Inhaftierung.

Wie die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) auf die Behandlung von Muslimen durch die chinesische Regierung reagiert, dürfte der entscheidende Moment für die internationale Einrichtung aus 57 Staaten sein. Sie muss starke und entscheidende Schritte gegen Pekings Repressionskam­pagnen unternehmen. Andernfalls sendet sie ein gefährliches Signal an andere Länder, wie diese ihre muslimischen Minderheiten behandeln können.

Die chinesische Regierung bemüht sich, ihre repressiven Maßnahmen und Praktiken zu rechtfertigen. Sie erklärt, diese seien notwendig zur Beseitigung dessen, was sie als als „Terrorismus“ und „Extremismus“ in der Region bezeichnet. Es hat sich jedoch erwiesen, dass für die chinesische Regierung jeder Ausdruck muslimischer Identität mit Extremismus gleichzusetzen ist. Warum sonst würden 22 der 26 Länder, die China für „sensitiv“ hält, Länder mit muslimischer Mehrheit sein, die ihrerseits OIC-Mitglieder sind.

Angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Misshandlungen, die auf türkische Muslime in China warten, sollten sich die OIC-Mitglieder dafür einsetzen, dass sie keine Flüchtlinge und Asylsuchende gewaltsam nach China zurückbringen. Es ist offensichtlich, dass ein Land, das global so einflussreich ist wie China, keine erheblichen politischen Kosten für seine missbräuchliche Kampagne gegen Muslime fürchtet.