Hintergrund: Am Persischen Golf machen die USA und der Iran eine schlechte Figur. Von Ali Kocaman

Ausgabe 200

Sowohl die USA, als auch Teheran machen bei den gegenseitigen Provokationen am Persischen Golf keine gute ­Figur. Wer kann vermitteln? Nur die Türkei scheint einen Ausgleich zu wollen.

(IZ/RT/Agenturen). Kein anderer, globaler Brennpunkt dominierte im letzten Monat so sehr wie der Persische Golf. Die USA und und der Iran eskalieren den Konflikt. Dies weckt Erinnerungen an die Krisen des Kalten Krieges. Am 23. Januar beschloss die EU – vollkommen geschwächt von den anhal­tenden Angriff auf ihre Gemeinschaftswährung aus dem Dollarraum und der City of London – ein Erdöl- und Erdgas­embargo, dass ab Juli in Kraft treten soll.

Während in der unmittelbaren Nähe des amerikanisch-iranischen Pulverfasses die Funken fliegen, wird kräftig spekuliert. Gibt es einen Krieg? Und was geschieht in dieser reichen Region? Sucht man bei Google nach „USA“, „Iran“ und Krieg, findet die Suchmaschine mehr als 26 Millionen Treffer. Die unterschiedlichsten Beobachter glauben, dass ein Angriff der USA auf Teheran keine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“ ist.

Die US-Soldaten, nach zehn Jahren Besatzung des Iraks abgezogen, wurden teilweise nach Kuwait verlagert. ­Mehrere Flugzeugträger patrouillieren im Persischen Golf. Und Friedensnobelpreisträger Obama setzt Bedingungen, deren Bruch er mit Gewalt ahnden will. „Zeit, den Iran anzugreifen“, titelte „Foreign Affairs“ in der Ausgabe Januar/Februar 2012. Darin schrieb ein Matthew Kroenig: „Warum ein Militärschlag die am wenigsten schlechte Option ist?“ ­Kroenig war von 2010 bis 2011 Sonderberater des Pentagons. Und Charles Wald, pensionierter Viersterne-General, schrieb 2009 über einen „verheerenden Angriff auf die iranischen Atom- und Militäreinrichtungen“. Andere gehen ebenfalls davon aus, dass es gegebenenfalls ­weitere Angriffswellen geben müsse. Damit solche Pläne funktionieren, so Kroenig, müssten die USA dem Iran vermitteln, dass man begrenzte Ziele habe und keinen „Regimewechsel“ wolle. Ansonsten könnte sich Teheran in seiner Existenz bedroht fühlen und sähe sich ­gezwungen, massiv zurückschlagen.

Massive Aufrüstung
Im Oktober 2010 beschlossen die USA einen 67 Milliarden schweren Deal mit Saudi-Arabien über den Verkauf von bunkerbrechenden Bomben, Kampfjets, Hubschraubern, Raketen und Kriegsschiffen; der größte Waffendeal der US-Geschichte. Auch mit Bahrain ist ein vergleichbares Abkommen in Höhe von 53 Milliarden US-Dollars geplant. Es ­wurde wegen Protesten von Politikern und Menschenrechtsgruppen verschoben.

Michel Chossudovsky ist Direkter des Zentrums für Globalisierungsfragen; ­seiner Meinung nach gibt es seit 2003 detaillierte Kriegspläne. „Diese reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Wir können ab Mai 2003 von realen Plänen ausgehen, als das Verteidigungsministerium das strategische Konzept CON8022 (Global Strike) entwickelte.“ Es seien aber nicht nur die USA, die sich vorbereiteten, sondern auch Teheran. Es besä­ße das Luftabwehrsystem S-300 und umfangreiche Bodentruppen. Teheran könne zwei Millionen Soldaten über Nacht mobilisieren.

Die Geopolitik – oder ein neuer Kalter Krieg?
Der russischen Außenpolitiker Kons­tantin Kosachew befürchtet, dass „eine Militäroperation schwerwiegende ­Folgen haben wird. Russland sollte Anstrengung unternehmen, um die Verhandlungen wieder den Politikern zu übergeben“. Auch Peking (das Milliarden in iranische Erdgasfelder investierte) hat Teheran eine gewisse Unterstützung gezeigt, als es sich weigerte, die (benötigten) ­Erdölimporte aus dem Iran einzustellen.

Fachleute wie Patrick Henningsen befürchten, dass andere mit hineingezogen werden könnten. Laut Henningsen bestünden die Bedingungen „für einen neuen Kalten Krieg im frühen 21. Jahrhun­dert“. Auf der einen Seite stünde die Achse der westlichen Mächte um die USA, Europa, Israel und die arabischen Golfstaaten. Auf der anderen Iran, Syrien, Pakistan, China und vielleicht Russland. „Dieser neue Kalte Krieg kreist um regio­nale Dominanz und wirtschaftliche Fragen – Erdgas, Rohstoffe, Handelswege, aber auch Erdöl – und nicht um politische Ideologien des 20. Jahrhunderts.“

Was Iran und seine Partner verbindet, ist keine Ideologie, sondern Interessen. Teheran und Moskau sind führende Energielieferanten, haben großes Interes­se am Kaukasus und wollen den ­Westen daran hindern, die Energietransportrouten entlang des Kaspischen Beckens zu kontrollieren. Gemeinsam mit ­China repräsentieren die drei das Bestreben des eurasischen Kontinents, das US-amerikanische Vormacht­streben auf seinem Kontinent zu blockieren. Dem Iran kommt wegen seiner Lage eine Schlüsselstellung zu. Die Verhältnisse würden sich drastisch ändern, sollte Teheran mit den USA koo­perieren. In solch einem Szenario ­würde der Iran der Durchlass für US-Interessen im Kaukasus und in Zentralasien sein.

Ist ein Krieg wirklich unausweichlich?
Nach Ansicht vieler sind die Weichen in Richtung Krieg gestellt. Wir wissen nicht, wie sehr dies der Wirklichkeit entspricht oder ob es Teil der psychologischen Kriegführung ist. Der kritische Journalist Knut Mellenthin fasste am 20. Januar Indizien zusammen, wonach es dem Westen an Ernsthaftigkeit für ­einen Krieg mangelt. Mellenthin zitierte den US-amerikanischen Autor Jim Lobe, der in der Absage des amerikanisch-israelischen Manövers „Austere Challange“ einen Hinweis darauf sieht. Einerseits ­wolle Obama keinem Krieg, andererseits könne er im Wahljahr 2012 kaum öffentlich Verhandlungen fordern. Eine jüngst, an Khamenei gerichtete Botschaft enthielt nicht nur Drohungen, sondern auch ein Angebot. Über das Interesse Tel Avivs schrieb er: „Für Israel gibt es in Wirklich­keit überhaupt keine zwingenden Gründe, in naher Zukunft militärisch allein loszuschlagen und dabei alle sich daraus ergebenden Risiken auf sich zu nehmen.“ Ihm sei mit der jetzigen Konstellation mehr als gedient: Teheran bliebe interna­tional isoliert, ohne dass es zu Kampfhandlungen komme.

Ein ausgewiesener Kenner, der Strate­gieexperte George Friedman, sieht Alter­nativen zum Krieg. Selbst wenn ­Teheran nuklearen Kapazitäten wolle, glaube es nicht an deren Nützlichkeit. Man ­wisse, dass wenige Atombomben Israel ­schaden würden. Ein Gegenschlag wäre vernichtend für den Iran. Auch wenn Teheran eine aggressive Rhetorik pflege, hätten es sich immer vorsichtig verhalten. „Für den Iran sind Atomwaffen wertvoller als Verhandlungsmasse.“

Friedman fragte: Was können die USA dem Iran anbieten, wenn er Konzessionen bezüglich seines Atomprogramms macht, und was würde Teheran im Gegenzug wollen? Es sei wichtig zu verstehen, dass es bei dem Konflikt nicht um Atomwaffen gehe, sondern um den sich immer weiter ausbreitenden Einfluss des Irans in der Region.