Hintergrund: Türkei und Iran ringen härter um Vorherrschaft. Von Farshid Motahari und Carsten Hoffmann

Türkische und iranische Politiker haben noch im vergangenen Jahr die Brüderlichkeit betont. Nun stehen Drohungen und Vorwürfe im Raum. Die türkische Regierung warnt Teheran davor, die Spannungen in der Region weiter anzuheizen.

Istanbul/Teheran (dpa). Die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Iran haben sich merklich abgekühlt. Halb ringt die türkische Regierung mit den Nachbarn in Teheran um den Einfluss in der Region, halb versucht Ankara die Iraner von einem als verhängnisvoll empfundenen Weg der Konfrontation mit dem Westen im Atomstreit abzubringen. Vor allem in Syrien, wo der Iran das Regime von Präsident Baschar al-Assad stützt, sowie beim Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten im Irak reißen die Gräben auf.

«Es gibt einige Kreise, die einen kalten Krieg zwischen Sunniten und Schiiten beginnen wollen. Die Auswirkungen wären auf Jahrzehnte hin zu spüren», warnte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu vor seiner Abreise nach Teheran, wo er am Donnerstag Gespräche führte. Für die gesamte Region sei es selbstmörderisch, die Spannungen anzuheizen, ergänzte er, ohne den Iran direkt zu beschuldigen.

Im Dezember schon hatten Drohungen aus dem Iran in der Türkei Schlagzeilen gemacht. Ein General der iranischen Revolutionsgarden und ein iranischer Politiker hatten angekündigt, Einrichtungen der Nato-Raketenabwehr in der Türkei anzugreifen, sollte ihr Land attackiert werden. Davutoglu verlangte empört eine Erklärung.

Türkische Politiker aus den Reihen der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP hatten zuletzt noch die Brüderlichkeit mit dem Iran betont – und dabei manch westlichen Verbündeten vor den Kopf gestoßen. Zunehmend gräbt nun die Türkei aber nun dem Iran das Wasser ab. Wie ein Polit-Star wurde in dieser Woche in Ankara und Istanbul der aus dem Gazastreifen angereiste Hamas-Führer Ismail Hanija empfangen, dessen Organisation aus dem Iran unterstützt wird.

Die Beziehungen des Iran zur Türkei sind seit Jahrzehnten von einer Hass-Liebe geprägt. Zwar ist die Türkei islamisch, aber für den Iran zählt das wenig, denn eine weltliche Einstellung eines islamischen Landes ist für den Iran noch schlimmer als ein Sozialistenstaat. Der Iran sieht Säkularismus als die größte Gefahr für seine Existenz.

Daher hat das Land auch weitaus bessere Beziehungen zu Russland und China und den sozialistischen Ländern in Lateinamerika als zum Beispiel zu Saudi-Arabien. In Ägypten hat man gar seit über 30 Jahren keine eigene Botschaft, und auch nach der politischen Wende dort immer noch nicht.

Seitdem in der Türkei die AKP an der Macht ist, haben sich die Beziehungen verbessert. Man ist der AKP besonders dankbar, dass sie nicht nur dem Erzfeind Israel gegenüber kritischer geworden ist, sondern auch 2010 gegen die UN-Sanktionen ein Veto eingelegt hat. Im Atomstreit ist Ankara weitgehend auf der Seite Irans gewesen.

In den letzten Monaten hat sich das Bild aber geändert. Beim arabischen Frühling hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in den Augen Irans nicht nur für die türkische Variante des Islam geworben, sondern de facto gegen die iranische Variante gearbeitet. «Das ist einfache Mathematik: wenn das türkische System gut sein soll, dann ist das iranische schlecht», sagte ein Politologe in Teheran.

Schlimmer ist es mit Syrien. Für den Iran ist der politische Kampf gehen Israel Doktrin der Außenpolitik. Syrien spielt in diesem Kampf eine bedeutende Rolle. «Die Türkei ist mit ihrer Syrien-Politik auf dem falschen politischen Radar und sollte dies schnellstens ändern, um die Stabilität der Region nicht noch weiter zu gefährden», sagte Alaeddin Borudscherdi, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im Parlament.