Iman Reimann über ihren interkulturellen Kindergarten Regenbogen Kidz in Berlin. Von Tasnim El-Naggar

Ausgabe 205

(iz). Berlin ist eine Stadt, die durch eine große Vielfalt an Lebensweisen und Hintergründen besticht. Eine Gruppe in dieser Vielfalt sind die Muslime. Ob Migranten oder Konvertiten, diese Stadt ist überaus vielseitig – und das spiegelt sich auch beim Nachwuchs wider. Die erste Generation von Einwanderern hatte zwar ein Interesse an einer guten Ausbildung ihrer ­Kinder, kannte sich aber inhaltlich im deutschen Bildungssystem ganz und gar nicht aus und konnte von daher auch nicht in es hineinwirken. Die zweite und dritte Generation dagegen ist hier aufgewachsen, die Eltern der jungen Generation möchten nun mitwirken, möchten ihre ­Kinder bereits in frühester Kindheit fördern. Viele von ihnen wollen pädagogische Angebote mit einer islamischen Erziehung koppeln. Aus dem Grund entstehen in Berlin immer mehr Kindergärten, die mit unterschiedlichen Ansätzen eben dies fördern.

Ein Beispiel dafür ist der Kindergarten Regebogen Kidz, der seit 2006 als Elterninitiative besteht. Er ist ­interkulturell ausgerichtet und achtet auch auf spezielle religiöse Bedürfnisse, die die Kinder auf Grund der elterlichen Erziehung mitbringen – das war der Leiterin Iman Reimann bei der Gründung wichtig. Sie möchte das aufgreifen, was bereits da ist, und dies weiter fördern. Dabei sind unterschiedliche kulturelle Hintergründe durchaus willkommen. Momentan besuchen 15 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren mit 13 verschieden ethni­schen Hintergründen den Kindergarten, gesprochen wird ausschließlich Deutsch. Die Erzieherinnen achten darauf, was die Kinder an Wissen und ­Praxis von zu Hause mitbringen, greifen dies auf und bringen es auf pädagogische ­Weise in die Gruppe hinein.

Da die Kinder im Kindergarten Regenbogen Kidz größtenteils muslimisch sind, sprechen die Erzieherinnen mit den Kindern etwa über den Monat ­Ramadan, feiern gemeinsam das Opferfest oder achten auf das islamische Gebot der Sauber­keit. So nehmen sich die Kinder bewusst als Muslime wahr und betrachten den Islam als selbstverständlichen, integrierten Teil ihres Lebens, fühlen sich aber durch die vielen Ausflüge in Berlin auch als Berliner Kinder. Durch ihre eigene Unterschiedlichkeit und die Unterschied­lichkeit der Menschen um sie herum – etwa manche mit, manche ohne Kopftuch – erhalten sie auch hier einen unbe­fangenen Einblick, wo sich niemand erklären oder verteidigen muss. Dies ist vor allem den Eltern wichtig, die ihre ­Kinder in einem natürlichen Selbstbewusstsein erziehen und ihr Heranwachsen durch die Erzieherinnen positiv unterstützt sehen möchten.

Dabei werden die Kinder mit ihren Fähigkeiten und Stärken gefördert, es wird ihnen die Lust vermittelt zu forschen, Fragen zu stellen und Dinge selbst herauszufinden. Jedes Kind hat seine eigene Sichtweise auf die Welt, die bejaht wird. Das Berliner Bildungsprogramm von 2005 sieht vor, verschiedene Bildungsbereiche wie Kunst, Naturwissenschaften, Geografie etc. anzusprechen und so die Kompetenzen der Kinder zu fördern. Hier bietet der Kindergarten ein vielfältiges Angebot und zugleich eine große Offenheit, was Experimente und eigene Erfahrungen angeht.

Beispiel dafür war etwa das Berlin-Projekt „Wer bin ich?“, bei dem Deutschland- und Berlin-spezifische Themen angesprochen wurden. Den Kindern wurde dadurch ihre Zugehörigkeit zu ­Berlin mehr und mehr bewusst. Das Konzept der Regenbogen Kidz stößt auch seitens der Politik auf positive Resonanz, bei Evaluationen durch Externe hat der interkulturelle Kindergarten bisweilen sehr gut abgeschnitten, der Austausch mit der Kita-Aufsicht und dem zuständigen Jugendamt ist rege. Iman Reimann legt auch Wert darauf, dass ihr Team regelmäßig an Tagungen, Vorträgen und Fort­bildungen teilnimmt, um Impulse in den Kindergarten hineinzutragen und zugleich als muslimische Vertreter Impulse nach außen zu geben und präsent zu sein.

Dass der Kindergarten eine Elterninitiative ist bedeutet, dass auch die Eltern ihren Teil leisten sollten. Dafür gibt es einen Elternvorstand sowie verschiedene Arbeitsbereiche. Regelmäßig finden Elterngespräche und -abende statt, die das Ziel haben die Arbeit des Kindergartens transparent zu machen, sich auszutauschen und Feedback zu erhalten. Überwiegend wird rückgemeldet, dass die Kinder eine gut ausgeprägte soziale Kompetenz besitzen, ein breites Allgemeinwissen haben und von den Ausflügen stark profitieren, sei es durch die Erfahrung, wie man sich etwa im Theater benimmt oder durch die Wahrnehmung der verschiedenen Umgebungen und Menschen.

Iman Reimann weiß aber auch, dass die Situation ihres Kindergartens im Vergleich zu vielen anderen sehr privilegiert ist. Ihre Kinder kommen vorwiegend nicht aus sozial schwachen Familien, sondern aus stabilen Elternhäusern, was die Arbeit mit ihnen meist leichter und die Umsetzung des pädagogischen Konzepts vielversprechender macht. Auch weiß sie, dass in kürzester Zeit in Berlin 51 neue Kindergärten entstanden sind, jedoch teils völlig überfordert und durch den Fachkräftemangel in einer ­katastrophalen Situation. Auch hier sieht sie Regenbogen Kidz privilegiert.

Die Leiterin des Kindergartens warnt vor der Vorstellung, dass die Kinder Wissen und Bildung wie ein Trichter aufnehmen und am Ende ein „richtiger Muslim“ dabei herauskommt – so werde bei einigen muslimischen Kindergärten angesetzt. Es gehe aber nicht so sehr darum, Bittgebete oder Suren ­auswendig zu lernen oder Regeln zu vermitteln. Was viel wichtiger sei, seien die Werte, die hinter dem Islam stecken und die man nur durch das Miteinander-Reden und Voneinander-Lernen vermitteln könne – Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Verantwortungsbewusstsein, Selbstständigkeit, Dankbarkeit für die Schöpfung Gottes und viele andere. Dies sei die Basis einer Erziehung, die zugleich religiös wie auch pädagogisch sinnvoll sei. Hier wünscht Iman Reimann sich, dass musli­mische und interkulturelle Kindergärten zusammenarbeiten, um gemeinsam ein religionspädagogisches Konzept für Kindergärten zu erarbeiten. Um dabei erfolg­reich zu sein sei es für die Zukunft mehr und mehr wichtig, sich als muslimische ErzieherInnen öffentlich zu engagieren, sichtbarer zu werden, mitzureden – etwa in Bezirken, Ausschüssen und Projekten. Nur so könne sich langfristig etwas verändern, nur so bestehe die Aussicht, dass ein religionspädagogisches Konzept langfristig auf offene Ohren stößt und breiter umgesetzt werden kann.