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In der Öffentlichkeit

Ausgabe 269

Foto: Nabila Engagement, Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Einige Muslime und Musliminnen haben mich um einen Kommentar zu aktuellen Fällen gebeten, die reisende oder ansässige Gelehrte und Lehrer im Westen betreffen. Es häufen sich Berichte von heimlichen Ehen an Orten, die diese Personen besuchen.
Zuerst gilt es anzumerken, dass Leute normalerweise kein Geheimnis aus Handlungen und Beziehungen machen. Es sei denn, dass diese im Falle eines Bekanntwerdens abgelehnt werden. Diejenigen, die die Verantwortung der öffentlichen Lehre des Islam auf sich nehmen, müssen wissen, dass sie als Vertreter der Religion gelten und als Vorbilder angesehen werden. Nicht nur ihre Worte, sondern auch ihr Handeln und ihre Lebensweise beeinflussen die Entscheidungen und Aktionen anderer. Vor Allah sind sie verantwortlich für diesen Einfluss und die Folgen im Leben Dritter. Prediger, Lehrer und andere öffentliche Figuren der Gemeinschaft müssen sicherstellen, dass ihr Verhalten sich an den Idealen derjenigen orientiert, die Allahs Ablehnung fürchten. Vom gewollten Ungehorsam Seiner Befehle oder der des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ganz zu schweigen.
Jeder Muslim weiß, dass gute Handlungen schlechte abwehren. Allah sagt in seinem Buch: „Wahrlich, die guten Handlungen entfernen die schlechten Taten.“ (Al-Hud, 114) Die Bemühung zur Vorbereitung des Gebets und seiner Verrichtung durch den Tag hindurch hilft bei der Erhaltung eines Bewusstseins von der Göttlichen Gegenwart. Das schützt vor Scheitern und davor, dass Fehler zu festen Gewohnheiten werden, die nur schwer abzuschütteln sind. Wir mühen uns um nützliche Gedanken, Worte und Taten, um Versuchungen abzustellen. Damit erlangen wir, wenn Allah will, etwas zur Abwehr von Schaden und Falschem, die wir über eine Lebensspanne anhäufen.
Wie viele aber sind sich bewusst, dass auch das Gegenteil wahr ist? Dass falsche Taten die guten leugnen, aufheben und überwiegen können? Das Folgende wurde von ‘Abdarrazzaq in seinem „Musannaf“ berichtet: „Ma’mar und Sufjan Ath-Thauri überlieferten uns von Abu Ishaq, der berichtete, was seine Frau in einer Gruppe Frauen in Anwesenheit Aischas hörte. Eine Frau sagte ihr: ‘Oh, Mutter der Gläubigen, ich hatte eine Dienern, die ich Zaid ibn Arqam für 800 mit einer verzögerten Zahlung verkaufte. Dann kaufte ich sie von ihm für 600 und zahlte diese sofort. Ihm schrieb ich 800 als Schulden auf.’ Aischa entgegnete: ‘Bei Allah, wie übel ist, was ihr gebracht habt! Wie übel ist, was ihr gebracht habt! Richte Zaid ibn Arqam aus, dass er seine ­gemeinsame Anstrengung mit dem ­Gesandten Allahs, Friede sei mit ihm, ungültig gemacht hat. Es sei denn, er ­bereut.’“
Betrachten wir hier die Stärke und Geistesgegenwart ‘Aischas. In ihrer Abscheu gegen diesen Rechtkniff, mit dem das strenge Verbot Allahs (namentlich die Zinsnahme auf Darlehen) umgangen wurde, übertrieb sie nicht oder verlor ihr ausgeglichenes Urteil. Sie zögerte nicht Zaid auszurichten, dass er durch seine Teilnahme an dieser Transaktion seine Anstrengungen zunichte macht. Aber sie erinnerte ihn auch daran, dass er bereuen könne. Einige Handlungen (wie Riba) sind in ihrer persönlichen und sozialen Konsequenz so schwerwiegend, dass sie durch gutes Handeln aufgewogen werden müssen. Und doch, bis sich der Tod ankündigt, sind die Tore der Vergebung nicht verschlossen. Und Allah sagte, dass er es liebt, zu vergeben.
Die geheime Ehe ist eine von mehreren Wegen, auf denen Männer die Rechte und Würde von Frauen verletzen. Mir wurde von einer Zunahme der Fälle berichtet, in denen muslimische Sprecher in Europa und Amerika sowie jene, die auf der Durchreise sind, insgeheim heiraten. Auch für eine kurze Periode, nach der sie diese – mutmaßlich – wieder beenden. Das ist eine Verletzung der Regeln und des nützlichen Zwecks von Ehe sowie eine Ausbeutung von Frauen, deren Umstände sie drängen, solche Verträge einzugehen. Der Schaden ist analog zu Riba, das einen Rechtsbruch und eine Verletzung der Absichten eines Darlehens darstellt. Und der Wucher schädigt jene erheblich, deren Umstände sie zur illegalen Darlehensaufnahme auf diesem Wege zwingen.
Die Eheschließung im Islam ist eine gute und edle Handlung, wenn sie auf auf eine Art und Weise und mit einer Absicht praktiziert wird, die als ma’ruf bezeichnet wird. Das heißt, entsprechend der bekannten, etablierten Normen der freundlichen, öffentlichen und rechtskonformen Form. Explizit untersagt ist das Halten von Geliebten im Geheimen sowie jede sexuelle Beziehung ohne Verantwortung für die andere Person sowie die Folgen der Handlung. Geheime, temporäre Ehen sind (wie die Kniffe zur Umgehung des Riba-Verbots) ein juristischer Schleier für etwas, dass untersagt und als solches bekannt ist.
Die Ehe ist eine persönliche und eine soziale Tatsache für die Vertragsparteien. Sie ist weder nur das eine, noch nur das andere. Ein fester Bestandteil, der eine Ehe zu einer guten Tat macht, ist die Schaffung eines rechtlichen, sozialen und physischen Raumes, in dem Kinder willkommen sind und erzogen werden. Sie verbindet Familien, die sich vorher fremd waren oder weitet bestehende Verbindungen aus. Als solches weitet sie das Netzwerk sozialer Beziehungen aus, ­sodass es eine Vielfalt von Geschwistern, Cousinen, Onkeln, Tanten, Nichten und Neffen gibt. Sie teilen die Sorge um das gegenseitige Wohlergehen – körperlich, ökonomisch und seelisch. Diese Bin­dungen ermöglichen und vervielfältigen die persönliche Beziehung von Ehefrau und -mann.
Es muss nicht erst erwähnt werden, dass sich ein Mann bei der Hochzeit prinzipiell verpflichtet, seine Frau lebenslang zu versorgen. Es ist einem sunnitischen Muslim nicht erlaubt, eine Ehe in dem Wissen einzugehen, dass seine Absicht nur zeitweilig sein wird. Selbst wenn jemand so reich wäre, dass er einer betroffenen Frau zu Beginn der Ehe so viel geben kann, wie sie im Rahmen ihrer durchschnittlichen Lebenszeit erhält, ist eine solche Begrenzung nicht zulässig.
Was eine Ehe über jede andere unzulässige Verbindung von Mann und Frau erhebt, ist ihr verantwortungsbewusster Charakter. Sie erklärt das Recht des Paares auf Privatsphäre und Intimität untereinander. Nachbarschaft und Gemeinschaft müssen den anerkannten Status des Paares kennen, sodass sie die Ver­bindung feiern und stärken können. Heimliche Ehen verletzen nicht nur Frauenrechte, sondern auch die gemeinschaftlichen. Sie führen zu Anzüglichkeiten und Verleumdungen, die so verderblich für soziale Harmonie und Vertrauen sind. Solche Ehen haben eine langfristig schädliche Wirkung auf das, was heute auch als „persönliches“ und „soziales Kapital“ bezeichnet wird. Das entspricht dem Effekt, den Fastfood auf die körperliche und geistige Gesundheit des Einzelnen hat.
Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Macht die Ehe bekannt.“ (An-Nasa’i, Ahmad) Das ist eine klar Anweisung, dass eine Eheschließung bekanntgegeben werden muss. Und es war die Praxis des Gesandten Allahs, Heil und Segen auf ihm, sowie die seiner Gefährten und der bekannten Gelehrten aus den früheren Generationen. Zu denjenigen, die ausdrücklich die heimliche Eheschließung ablehnten, gehörten ‘Umar ibn Al-Khattab, ‘Urwa ibn Az-Zubair, Amir Asch-Scha’bi und andere. Abu Bakr ‘Abd Al-‘Aziz sagte: „Solch eine Ehe ist ungültig.“
Wir können erkennen, dass ein Teil der Juristen der Ansicht ist, dass die Bekanntmachung einer Ehe empfehlenswert ist. Das heißt, sie machen es nicht zu einer Vorbedingung. Wobei sie davon ausgehen, dass die Menge der notwendigen Zeugen gegeben ist. Andere wie Az-Zuhri betrachten sie als verbindlich: „Wenn jemand unter Anwesenheit zweier Zeugen heiratet und diese anweist, die Ehe geheim zu halten, ist es verpflichtend, den Ehemann und die Gattin zu trennen.“ Gleichermaßen wurde Imam Maliks Ansicht überliefert, dass die Geheimhaltung eine Ehe ungültig werden lässt. Und selbst diejenigen Fuqaha, welche eine solche Pflicht nicht als bindend ansahen, lehnten eine Geheimhaltung trotzdem ab. Ibn Taimijjah, deutlich wie immer, verglich die eine solche Praxis mit Prostitution.
Das Recht lehnt die geheime und zeitweilige Ehe (ob offen oder verdeckt) ab. Es schadet den Rechten und der Würde von Frauen und es vermindert den Nutzen einer Ehe. Beide Formen reduzieren die Ehe auf sexuelle Beziehungen in der hässlichen Form eines Mietverhältnisses. Daher rate ich Frauen dazu, sorgsam zu sein, bevor sie eine Ehe eingehen. Sie sollten sich informieren und Unterstützung bei Familie, Freunden und Gemeinschaft finden, bevor sie irgendeine Verpflichtung eingehen. Es ist (für Frauen und Männer) besser, die Härten des Singledaseins zu ertragen als einem Vertrag zuzustimmen, der die Rechte und Normen beleidigt.
Soweit es diejenigen betrifft, die sich in der Öffentlichkeit als Lehrer und Vertreter des Islam präsentieren, und doch solche Verträge abgeschlossen haben, was kann ich sagen? Es ist Pflicht für sie, dass sie ihre Absichten aus Furcht vor Allah erneuern und dass sie sich daran erinnern, dass das Tor zur Vergebung und Veränderung nicht geschlossen ist und dass sie Wiedergutmachung leisten.
Allahs Gesandter hat in vielen Aussagen bekräftigt, dass Allah die Vergebung Seiner Geschöpfe liebt, wenn sie sich Ihm zuwenden. Er macht den Weg zur Vergebung für jeden leicht, der aufrichtig bereut. Keine der falschen Handlungen eines Gläubigen kann, egal wie enorm, größer sein als Seine Barmherzigkeit.