In Mosambik eskaliert die Gewalt

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Bonn/Maputo (KNA). Kürzlich tauchte Mosambik nach längerer Zeit wieder einmal in den Schlagzeilen auf. In der Provinz Cabo Delgado hätten, so hieß es, „mutmaßlich militante Islamisten“ mehr als 50 Menschen enthauptet. Mehrere Dörfer seien angegriffen, Zivilisten getötet, Frauen und Kinder entführt und Häuser niedergebrannt worden. Wer sich mehr als eine Woche danach mit Experten und Vertretern von Hilfsorganisationen umhört, lernt vor allem zwei Dinge: Die jüngsten Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs – und die Islamisten nur ein Teil des Problems.

Tatsächlich kommt es in der unzugänglichen Provinz im Norden des Landes seit 2017 immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen, wie der Völkerrechtler Cristiano d’Orsi von der Universität Johannesburg erläutert. Er spricht von 600 Attacken mit rund 2.000 Toten. Laut UN-Angaben haben in den vergangenen Jahren mindestens 350.000 Menschen ihre Heimat verlassen.

Die Regierung habe lange versucht, die Konflikte kleinzureden, so d’Orsi. In Cabo Delgado gibt es Öl-, Gas und Edelsteinvorkommen, die von internationalen Firmen ausgebeutet werden. Schlechte Presse, so eine Vermutung, schadet da nur. Von den millionenschweren Investitionen der Rohstoffunternehmen kommt bei der Bevölkerung nichts an. Dies sorgt für Frustration gerade unter jungen Menschen, wie Care-Länderdirektor Marc Nosbach sagt, der seit sechs Jahren in Mosambik arbeitet. Ein idealer Nährboden für Extremismus und Kriminalität.

Weil der Norden Mosambiks vor allem von Muslimen bewohnt wird, versuchen zweifellos auch Islamisten von der Lage zu profitieren. Aber wer nun genau hinter den seit drei Jahren währenden Überfällen steckt, ist kaum auszumachen. Ausländische Söldner scheinen ebenso mitzumischen wie lokale Drogenhändler oder Menschenschmuggler und ihre bewaffneten Banden. Hinzu kommt, dass die Zentralregierung in Maputo offenbar die Kontrolle über Teile des Territoriums verloren hat. Dazu gehört Mocimboa da Praia, die neben der Provinzhauptstadt Pemba wichtigste Hafenstadt von Cabo Delgado.

Laut Angaben von Misereor-Länderreferentin Anabela Belo gelten inzwischen 9 von 17 Distrikten der Provinz als unsicher; Helfer arbeiten hauptsächlich von Pemba aus. Auf Initiative des gleichnamigen katholischen Bistums, so berichtet Belo, hätten sich 2019 Wissenschaftler, Kirchenvertreter, Bewohner und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen getroffen, um über die Ursachen der Misere zu sprechen. Der Konflikt ist demnach auch eine Antwort auf die Gewalt, die in den Zeiten der Sklaverei und der kolonialen Unterdrückung geschehen ist. Er habe zu tun mit historischen Machtansprüchen und alten Ressentiments zwischen den Ethnien der muslimischen Muanis und der von den Portugiesen missionierten Makondes.

Nicht im Ansatz aufgearbeitet sind zudem die Zerwürfnisse des Bürgerkriegs, der 1976, ein Jahr nach Erlangung der Unabhängigkeit, zwischen der seinerzeit marxistisch-leninistischen Regierungspartei Frelimo und den Rebellen der Renamo ausbrach. Für die Frelimo bildete Cabo Delgado eine wichtige Basis. Im Kern, meint Belo, geht es wie in vielen anderen Ländern auch um den Zugang zu Land und Rohstoffen.

Der Klimawandel heizt die Lage im wahrsten Wortsinn zusätzlich an. Die Regenzeit steht unmittelbar bevor. In manchen Landesteilen steigt das Thermometer derzeit auf rekordverdächtige 50 Grad in der Sonne; ähnlich wie 2019, als zwei Zyklone vor allem die Mitte und den Süden Mosambiks verwüsteten. „Die Menschen haben Angst, dass sich so etwas wiederholt“, so Belo.

Zugleich berichtet sie von „unglaublichen Zeichen der Solidarität“. In den vergangenen Tagen landeten 250 Boote an der Küste von Pemba. Sie transportierten rund 12.000 Frauen, Kinder und Senioren, die sich vor der grassierenden Gewalt in Sicherheit bringen wollten. Viele hatten mitansehen müssen, wie ihre Söhne, Brüder oder Väter getötet wurden.

Familien in und um Pemba hätten die Flüchtlinge direkt aufgenommen, manche 20 und mehr Menschen auf einmal, so Belo. Insgesamt lebt nur ein Teil der Binnenvertriebenen aus dem Norden in Lagern; viele von ihnen kamen bei „Gastfamilien“ unter. Das stimmt nachdenklich – angesichts des Umgangs mit Flüchtlingen im reichen Europa.