Indonesien: Ex-Tätowierer entfernt Muslimen die Tattoos

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Ein indonesischer Tätowierer besinnt sich zurück auf seinen muslimischen Glauben – und entfernt nun Tattoos, statt sie zu stechen. Seine Dienste bietet er auch kostenlos an. Unter einer Bedingung.
Serpong (dpa). Acht Jahre lang hat Sandi Widodo Motive in die Haut seiner Kunden gestochen. Dann die Kehrtwende: Der erfolgreiche Tätowierer aus Indonesien mit dem eigenwilligen Lebensstil besann sich wieder auf seinen islamischen Glauben, wie er sagt. Heute lässt er in seiner Praxis in der Gemeinde Serpong nahe der Hauptstadt Jakarta Tätowierungen von reumütigen Muslime verschwinden –und verlangt dafür wenig oder manchmal sogar kein Geld.
„Ich hatte ein etabliertes Tattoostudio, als ich anfing, mich mit Religion auseinanderzusetzen und feststellte, dass Tätowierungen haram (verboten) sind“, erklärt der 31-Jährige, der selbst kunstvolle Tätowierungen am ganzen Körper trägt, auch auf seiner linken Schläfe und seinem Hals. „Ich habe immer wieder an die Leute gedacht, die ich tätowiert habe“, sagt er. „Also entschied ich mich, sie für diejenigen zu entfernen, die ihren alten Lebensstil aufgegeben haben, bei dem – wie bei mir – oft Drogen und Alkohol mit im Spiel waren.“
2014 verkaufte Widodo seine Tätowierausrüstung und studierte in einem islamischen Internat, bevor er als gläubiger Muslim zu seinen Eltern zurückkehrte. Nachdem er einen Arzt um Rat gefragt hatte, rief er im Juli zu einer Online-Spendenaktion auf. Von dem Geld wollte er Lasermaschinen für Tattoo-Entfernungen kaufen, die umgerechnet etwa 2.500 Euro pro Stück kosten. Die Resonanz war unerwartet stark: In weniger als zwei Wochen kamen umgerechnet knapp 5.600 Euro zusammen. Dann verwandelte er sein Tattoo-Studio am Stadtrand von Jakarta in eine mit drei Laser-Apparaten ausgestattete Praxis.
Mehr als 200 Menschen haben sich bisher bei ihm ihre Tätowierungen entfernen lassen, sagt er. Darunter seien Punk-Rocker, Musiker und Gangmitglieder. „Einige meiner Freunde in der Tattoo-Branche sind meinem Vorbild gefolgt, aber es gibt auch einige, die auf Abstand gegangen sind, weil sie dachten, ich sei seltsam geworden“, sagt er.
Muslimen entfernt er Tattoos sogar kostenlos. Die Bedingung: Sie müssen 50 Koranverse auswendig lernen, die sich auf die Barmherzigkeit und Gnade Gottes beziehen. Viele im Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung halten permanente Tätowierungen im Islam für verboten. Sie argumentieren damit, dass sie unnötige Schmerzen verursachen und eine Form der Täuschung seien.
„Die Leute wollen sich ihre Tätowierungen aus vielen Gründen entfernen lassen, zum Beispiel wegen schlechten Designs oder der Unvereinbarkeit mit dem Job, aber wir helfen nur Leuten, die Reue gezeigt haben“, sagt er. Manche, die nicht genug Geld für das sichere Entfernen ihrer Tätowierungen haben, hätten sogar zu einem heißen Bügeleisen gegriffen und sich dabei schwer verletzt, erzählt er.
Laserbehandlungen zur Entfernung von Tätowierungen gelten als sicher, können aber oberflächliche Hautwunden hinterlassen. Widodo konnte sich selbst nicht alle seine Tätowierungen entfernen und hat sich bislang nur zwei Sitzungen unterzogen. „Es dauert etwa zwei Wochen, bis die Bläschen nach der letzten Behandlung verheilt sind.“.
Auf den Armen des ehemaligen Rockband-Sängers Azri Rachman sind zwischen Schädel- und Rosenbildern Porträts seiner Eltern zu sehen. Der 30 Jahre alte Vater von zwei Kindern hat zwei Sitzungen in der Praxis hinter sich. Die Musik hat er aufgegeben. Stattdessen verkauft er nun mit islamischen Botschaften bedruckte Kleidung. Mit Bart, Brille, einem weißen Hemd mit der Aufschrift „I don’t follow trends“ (Ich folge keinen Trends) und einer knöchellangen Hose sieht er eher wie ein Hipster aus.
Ahmad Zaki ist ein Sozialarbeiter, der eine gemeinnützige Gruppe namens Punk Muslim gegründet hat. Sie betreiben eine mobile Praxis, die ebenfalls denjenigen ihre Tätowierungen entfernt, die ihren Weg zurück zur Religion gefunden haben. „Eine Tätowierung ist eine Sünde, die sichtbar ist, bis man stirbt. Es sei denn, man entfernt sie“, sagt Zaki bei einer Veranstaltung zur Entfernung von Tattoos in einer Moschee in Purwakarta, etwa 100 Kilometer östlich von Jakarta. „Man muss es nicht entfernen, wenn es schon da ist, denn Gott verzeiht alles, aber es ist besser, wenn man es macht.“
Andini Erisa gehört zu den neun Frauen, die bei der Veranstaltung in der Moschee in Purwakarta dabei sind. Sie wollte einen Stern auf dem rechten Arm und einen Ring um ihren Fußknöchel loswerden, erzählt die 22-Jährige. „Ich werde nächstes Jahr heiraten“, sagt sie. „Ein dreijähriges Mädchen sagte mir einmal, dass sie ein Tattoo wie meins haben wolle, weil es schön sei. Ich will nicht, dass meine zukünftigen Kinder das tun, was ich getan habe.“