Informationen von Bahar Agirbas über die osmanischen „Spendensteine“

Ausgabe 207

(iz). Die Osmanen haben es vorgemacht; da die geheim gehaltene Hilfe am höchsten geschätzt wird, wurden Sadaqa-Steine errichtet. Gemäß des Islam sollten wir den Bedürftigen unsere Hilfe zuteil kommen lassen, jedoch derart, dass „die linke Hand nicht weiß, was die rechte gegeben hat“ (siehe Hadith). Das heißt, die Hilfe soll nicht so offenkundig ge­schehen, damit der Bedürftige sich nicht beschämt und der Gebende nicht Ge­fahr läuft, Rija [Angeben mit der ­eigenen Handlung] zu begehen.

Die Sadaqa-Steine der Osmanen waren 1,5 bis 2m hoch und aus Marmor. Es gab aber auch kleinere – sowohl zylinderförmige als auch viereckige. In der Mitte befand sich eine schüsselähnliche Mulde, in die die Spender ihr Geld hinein legten. Neben den zwei Meter hohen Steinen wurden ein bis zwei Stufen gebaut, damit man mühelos an die Kuppe gelangen kann.

In der Regel waren sie abseits gelegen, etwa in Moscheehöfen, Mausoleen von Aulija, Tekke, Madrasa oder in der Nähe von Friedhöfen und Brunnen. Besonders auch an Punkten, an denen mehrere Bezirke aneinander grenzen. Außerdem wurden noch Steine in der Nähe der Henker (Cellat) Friedhöfe errichtet. Da die Henker und ihre Familien von der Bevölkerung sozial ausgegrenzt wurden – viele haben wohl nicht einmal einen ordentlichen Grabstein und wurden schon fast anonym beerdigt – wurde auch in ihrem Bezirk ein Sadaqa-Stein errichtet, der von Besuchern des Cellat-Friedhofs befüllt wurde.

Jene Armen, die sich trotz ihrer Bedürftigkeit schämten zu betteln, gingen spät in der Nacht zu den Sadaqa-Steinen und nahmen sich Geld heraus. Jedoch nahmen sie nicht das gesamte Geld, das sich in dem Stein befand, sondern nur das was vonnöten war. Ein französischer Weltenbummler, der im 17. Jahrhundert von Istanbul berichtete, beobachtete wohl sogar, dass eine Woche lang niemand den Stein aufsuchte, um Geld heraus zu nehmen.

Diese Steine gab es in Istanbul an ­mehreren Orten unter anderem in Üsküdar im Hof der Gülfem Hatun Moschee, in Üsküdar Dogancılar, in Karacaahmet und in Kocamustafapasa u.a. Heute besteht in Üsküdar Dogancilar (neben der Imrahor Moschee) ein Stein, der mittlerweile bis zur Hälfte in der Erde begraben sei. Auch am Gartentor der Sultanahmet Moschee, am Eingang der Ayasofya Moschee, in Eyup Sultan zwischen den Gräbern u.v.a.