Interview: DITIB-Vorsitzender Prof. Dr. Ali Dere über den islamischen Fastenmonat. Von Christoph Schmidt

(KNA). Am Freitag, den 20. Juli, begann der islamische Fastenmonat Ramadan. Vier Wochen lang verzichten die Muslime zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang auf Essen, Trinken und andere Genüsse. Das im Qur'an vorgeschriebene Fasten gehört zu den fünf islamischen Grundpflichten und prägt bis zum 18. August auch das Leben der meisten Muslime in Deutschland.

Der Vorsitzende des islamischen Verbands DITIB und Professor für islamische Theologie, Ali Dere, äußerte sich in Köln im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zur Bedeutung des Ramadan und seiner Wahrnehmung hierzulande.

KNA: Herr Professor Dere, große Hitze bleibt den Fastenden in Deutschland dieses Jahr wohl erspart. Eine Gnade?

Dere: Sagen wir, eine Erleichterung. Die Gnade ist das Fasten selbst. Es hilft dem Muslim, sich auf die spirituelle Kraft der Religion zu konzentrieren und schlechte Gewohnheiten abzulegen. (…) Der Ramadan ist eine Zeit der guten Taten und der Sorge um das Wohl der Mitmenschen. So gesehen sollte der Muslim den Schulkindern, die nicht fasten müssen und Ferien haben, lieber einen schönen, warmen Sommer wünschen.

KNA: Vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Wie viele halten sich an das Fastengebot?

Dere: Das ist je nach Herkunft verschieden. Nach einer Studie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge befolgen rund 60 Prozent der türkischen und fast 80 Prozent der nordafrikanischen Muslime die religiösen Gebote. Bei den Muslimen aus Südosteuropa ist es dagegen nur etwa ein Fünftel. Es gibt aber keine absolut sicheren Zahlen zum Fasten.

KNA: Ist es nicht schwieriger, in einer nichtmuslimischen Umgebung zu fasten?

Dere: Das hängt von jedem selbst ab. In islamischen Ländern bestimmt der Ramadan den gesamten Alltag. Vieles läuft dann auf Sparflamme, fast jeder fastet. Hier dagegen geht das Leben um uns herum seinen normalen Gang. Kollegen machen ihre Mittagspausen, die Menschen sitzen in Restaurants und Straßencafés, essen und trinken. Da ist das Fasten für manche vielleicht eine besondere Herausforderung. Aber wer es ernst meint, kommt damit zurecht. Muslime werden in den Familien ab ihrer frühen Jugend an den Ramadan herangeführt und kennen es nicht anders.

KNA: Ist der Ramadan für manchen auch eine Zeit der Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft?

Dere: Wir fasten, um Gott näher zu kommen, nicht um uns von anderen Menschen zu entfernen. Natürlich stärkt das gemeinsame Fasten auch den inneren Zusammenhalt der islamischen Gemeinschaft, besonders innerhalb der Familien. Es ist ein Zeichen religiöser Identität. Aber gerade in diesem Jahr wollen wir als DITIB den Ramadan für den Dialog mit der Gesellschaft nutzen.

KNA: Wie?

Dere: Wir bestärken unsere Gemeinden darin, noch mehr als in früheren Jahren ihre nichtmuslimischen Nachbarn zum gemeinsamen Fastenbrechen in die Moscheen einzuladen. Daneben planen wir etwa in Köln eine ganze Woche von Begegnungsabenden, zum Beispiel für Frauen. Aber vieles passiert auch schon im Privaten, wo man es nicht sofort sieht.

KNA: Sie meinen, der Ramadan gehört inzwischen zu Deutschland?

Dere: Das Verständnis und das Interesse sind gewachsen. An den Arbeitstellen etwa gibt es oft ein großes Verständnis und Entgegenkommen von Arbeitgebern und Kollegen gegenüber den Fastenden, die vielleicht andere Pausenzeiten wünschen, um das Fasten zu brechen. Dies wird in der Regel unkompliziert und flexibel in direkten Gesprächen gelöst.

KNA: Und wie sieht es mit der Teilnahme von Nichtmuslimen aus?

Dere: Wir sind dankbar, dass mittlerweile so viele Politiker von den Kommunen bis zur Bundesebene zum Iftar, dem gemeinschaftlichen Fastenbrechen kommen. Auch Vertreter der Kirchen, Ehrenamtliche aus Vereinen, Schulklassen, Universitäten und ganz normale Bürger teilen den Tisch mit Muslimen. Ich glaube, wenn wir jedes Iftar zum „Abend der offenen Tür“ erklären würden, wäre der Andrang für manche Gemeinde gar nicht mehr zu bewältigen. Man kann also sagen: Der Ramadan ist eine Bereicherung für Deutschland.