Interview: der Ethnologe Markus Höhne zu den Verhältnissen in Somalia. Interview: Joachim Heinz

Ausgabe 208

(KNA). Nachricht aus einem vergessenen Land: Am 13.09. stand Hassan Sheik Mohammed als neuer Präsident Somalias fest. Im KNA-Interview sprach der Somalia-Experte Markus Höhne vom Max-Planck-Institut für Ethnologische Forschung über die Lage in dem ostafrikanischen Küstenstaat, der hierzulande höchstens wegen Piraten und militanter Banden in die Schlagzeilen kommt.

Frage: Herr Höhne, Somalia hielt vor Kurzem eine Präsidentschaftswahl ab. Was bedeutet sie für das Land?

Markus Höhne: Fangen wir mit dem Positiven an: Seit Zerfall der staatlichen Strukturen 1991 ist das der erste von der Staatengemeinschaft vorangetriebene Prozess, der tatsächlich in Somalia selbst stattfindet. Ich bin Pessimist. Von diesem Vorgang erwarte ich mir keine große Wende. Auf jeden Fall markierten die Wahlen nicht das Ende der Übergangsphase, sondern den Beginn einer neuen. Somalia ist einfach noch nicht reif für einen Neuanfang. Frage: Aber gerade das sollte doch nach jahrelangen Bürgerkriegen durch den Einsatz afrikanischer Trup­­pen und Gelder aus dem Westen erreicht werden.

Markus Höhne: Mein Eindruck ist, dass sich UN, Afrikanische Union, die EU und die USA in die ­Tasche lügen und seit Jahren ein Theater ­inszenieren, dass viel kostet, aber zu nichts führt. Schauen Sie sich einfach an, was bisher geschehen ist. Da wurden von außen verordnet und anhand einer Art „Demokratie-Checkliste“ das Parlament um die Hälfte verkleinert, eine Verfassung ausgearbeitet und Wahlen organisiert – alles aber maßgeblich mitge­steuert von der Übergangsregierung unter dem komplett korrupten Präsidenten Scheich Scharif Ahmed und einem willkürlich zusammengewürfelten Ältestenrat.

Frage: Aber der Ältestenrat sollte doch die Menschen einbeziehen.

Markus Höhne: Das ist ein Trugschluss, der an den tatsächlichen Verhältnissen komplett vorbeigeht. Den Ältestenrat haben irgendwelche internationalen Berater aus dem Hut gezau­bert. Hinzu kommt, dass in der traditio­nellen Kultur die Ältesten zwar lokal Macht ausüben, aber nie auf einem nationalen Level.

Frage: Welchen Einfluss haben die radikalen Al-Schaabab-Milizen?

Markus Höhne: Militärisch sind sie so gut wie geschlagen, halten nur noch die Stadt Kismayo 500 Kilometer südlich von Mogadischu. Das Problem ist die Geisteshaltung, die dahinter steckt. Die Kämpfer sind einst angetreten, um sich gegen die beständigen Einmischun­gen von außen zu wehren. Erst später kam der Einfluss von Al Qaida und radi­kalen Splittergruppen hinzu.

Frage: Wäre eine nicht-militante islamische Ordnung denn eine Lösung für das Land?

Markus Höhne: Sie ist zumindest weiterhin mehrheitsfähig.