Interview: Mohanad Khorchide über über den neuen NRW-Islamunterricht. Interview: Andreas Otto

Ausgabe 207

Ein Lehrplan liegt noch gar nicht vor – trotzdem führt Nordrhein-Westfalen zum Schuljahresbeginn den islamischen Religionsunterricht ein. Allerdings stehen auch nur für die wenigsten Schüler Lehrkräfte zur Verfügung.

(KNA). Nordrhein-Westfalen begann als erstes Bundesland im neuen Schuljahr den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Die Lehrinhalte soll ein Beirat festlegen, dem auch der muslimische Münsteraner Religionspädagoge Mouhanad Khorchide angehört. Er erläuterte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur die Grundausrichtung des Lehrplans.

Frage: Herr Professor Khorchide, eigentlich will ich mit Ihnen über den islamischen Religionsunterricht und den Lehrplan dafür reden. Aber vorweg eine andere Frage. Deutschland diskutiert über die Beschneidung. In welchem Alter sind Sie beschnitten worden?

Mouhanad Khorchide: Das war mit zwei Wochen im Krankenhaus in Beirut. Auch mein Sohn wurde wenige Tage nach der Geburt in Wien beschnitten.

Frage: Wird das Thema Beschneidung vom Beirat in den Lehrplan zum islamischen Religionsunterricht aufgenommen?

Mouhanad Khorchide: Der Beirat selbst erstellt nicht den Lehrplan. Das macht seit Ende Februar eine Lehrplan-Kommission mit praxiserfahrenen Lehrkräften. Sie arbeitet vertraulich und will im Herbst Ergebnisse vorlegen. Erst dann kann der Beirat den Vorschlag begutachten und nur aufgrund religiöser Gründe ein Veto einlegen. Aber natürlich sollte in den oberen Klassen das Thema Beschneidung im Unterricht behandelt werden – gerade auch, um den Unterschied zur Frauenbeschneidung herauszustellen.

Frage: Zurück zum Lehrplan: An welchem Punkt ist Streit bei seiner Gestaltung zu erwarten?

Mouhanad Khorchide: Zum einen gibt es unterschiedliche Erwartungen. Die Politik wünscht, dass der Religionsunterricht zur Integration beiträgt. Die muslimischen Verbände wollen einen identitätsstiftenden Unterricht. Die Herausforderung ist, die Mitte zu treffen und einen authentischen, reflektierten Religionsunterricht anzubieten.

Frage: Und wie?

Mouhanad Khorchide: Der islamische Religionsunterricht sollte schülerorientiert sein. Eine Beispiel: Statt den Kindern und Jugendlichen das Gebet als reine Pflichterfüllung zu vermitteln und die Religion als Sammlung von Geboten und Verboten, sollten theologische Inhalte mit der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler verbunden werden.

Frage: Der Lehrplan soll erst im Herbst fertig sein. Woran orientieren sich die Lehrer im beginnenden islamischen Religionsunterricht?

Mouhanad Khorchide: Basis kann zunächst einmal der Lehrplan der bisherigen Islamkunde sein. Die Themen für den Unterricht an der Grundschule sind überschaubar. Bei der bekenntnisorientierten Ausgestaltung des Faches wird lediglich der normative Anspruch etwas stärker betont.