Islamische Lebenspraxis: Sunna und Ratschläge für das Betreten fremder Häuser

Ausgabe 221

„Oh, die ihr glaubt, betretet nicht andere Häuser, die nicht eure Häuser sind, bis ihr euch bemerkbar gemacht und ihre Bewohner begrüßt habt. Das ist besser für euch, auf dass ihr bedenken möget!“ (An-Nur, 24)

(MV Media). Die Lebensweise des Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, lässt sich nicht auf bloße metaphysische Vorstellungen und abstrakte Moralkonzepte im heutigen Sinne von „Religion“ beschränken. Sie ist viel stärker praktische Manifestation seiner spirituellen und überzeitlichen Botschaft, die bis heute lebendig geblieben ist. Dazu gehört auch die Höflich­keit beim Verlassen und Betreten von Häusern und Gebäuden.

Es war eine Tradition des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ein Gebäude mit dem rechten Fuß zu betreten und zu verlassen. Imam Abu’l-Ala Hasan Al-Hamazani – ein bekannter Hadithgelehrter seiner Zeit – war so sehr auf die Beachtung dieser Tradition bedacht, dass er jemanden, der sein Haus mit dem linken Fuß betrat, darum bat, es noch einmal mit dem rechten zu betreten.

Wer ein Haus betritt oder verlässt, sollte weder die Tür mit unnötiger Gewalt öffnen oder davon ausgehen, dass sie sich von selbst wieder schließt. Bei vielen ist ein von ‘Aischa, möge Allah mir ihr zufrieden sein, überliefertes Hadith bekannt, die den Propheten zitierte: „Güte schmückt jede Handlung. Ihre Abwesenheit wird sie beeinträchtigen.“

Gibt es einen Raum, in dem Menschen tagsüber oder in der Nacht schlafen, sollte man sich der Sunna entsprechend leise und vorsichtig verhalten. Rücksichtnahme und die Vermeidung unnötigen Lärms ist hier zu empfehlen. Die Hadithgelehrten und Imame Muslim und At-Tirmidhi berichteten über die Aussage des Prophetengefährten Al-Miq­dad ibn Al-Aswad: „Wir bewahrten für den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, seinen Anteil an der Milch auf. Wenn er zu uns in der Nacht kam, dann grüßte er uns mit einer Stimme, die laut genug war, dass diejenigen von uns, die wach waren, sie hören konnten, ohne dass die Schlafenden geweckt wurden. Hinzu kam, dass der Prophet, wenn er in der Nacht betete, mit einer Stimme rezitierte, welche die wachen Personen beglückte, ohne die anderen aus dem Schlaf zu reißen.“

Geht man in ein Haus, oder verlässt es, ist es empfehlenswert, die Anwesenden mit dem islamischen Grüß zu ehren: Der Friede sei mit euch. Der Friedensgruß ist ein Bittgebet, ein Zeichen des Islam und eine Sitte, die der Gesandte Allahs empfahl und die er praktizierte. Der Prophet lehrte seinen vertrauten Diener Anas ibn Malik, die Familie zu grüßen, wenn man sein Haus betritt oder verlässt. Qatada ibn Diana As-Sadusi, ein bekannter Angehöriger der Generation nach den Prophetengefährten, sagte: „Grüßt eure Familie, wenn ihr euer Haus betretet. Sie verdient euren Gruß am meisten.“

Bei Tirmidhi findet sich ein weiteres Hadith, über das Imam An-Nawawi meinte: „Es ist vorzuziehen, die Basmala (‘Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Allerbarmers’) zu sprechen, wenn man in ein Haus von anderen kommt. Man sollte dies tun, selbst, wenn man freigewordene oder unbewohnte Gebäude betritt.“

Es gibt in der spirituellen Höflichkeit des Islam aber auch noch weitere, ebenso wichtige Aspekte beim Eintreten in fremde oder eigene Häuser. Bevor man dies tut, sollte man die Bewohner über das eigene Kommen informieren. Muslime sollten es vermeiden, die bereits Anwesenden zu überraschen oder plötzlich in ihre Räumlichkeiten einzudringen.

Imam Ahmad ibn Hanbal meinte: „Geht eine Person in ein Haus, ist es empfohlen, dass sie auf sich durch ein Geräusch wie Räuspern oder Klopfen mit dem Fuß aufmerksam machen.“

Das gleiche – auch im eigenen Haus – gilt für das Betreten einzelner Räume. Man sollte immer zuerst um Erlaubnis für das Betreten bitten oder zumindest klopfen. Anderenfalls könnte man eine Person in einer Situation antreffen, die man selbst oder die entsprechende Person nicht möchte. Dies betrifft den gesamten Haushalt: die engere Familie und alle anderen.

Man sollte auf eine angenehme Weise an die Tür klopfen beziehungsweise klingeln; nicht lauter, als es notwendig ist, auf sich aufmerksam zu machen. Wir sollten niemals vergessen, dass wir Besucher sind, und keine Schurken, die ein Haus überfallen wollen.

Gleichermaßen berichtet Imam Al-Bukhari in „Adab Al-Mufrad“, dass die Prophetengefährten, möge Allah mit ihnen allen zufrieden sein, an die Haustür des Propheten, Allahs Friede und Segen auf ihm, mit ihren Fingerspitzen klopften. Dieses sanfte Auf-sich-aufmerksam-machen oder Klingeln ist angemessen für jene, deren Wohnräume nahe bei der Haustür liegen. Für weiter entfernt wohnende Personen ist es passend, an die Tür zu klopfen, ohne zu trommeln.

Nach mehrmaligen Klopfen oder aber Klingeln ist es offenkundig, dass die entsprechende Person abwesend oder beschäftigt ist. Andernfalls hätte sie die Türe geöffnet. In dem Fall ist es empfohlen, wieder zu gehen. Dies findet sich beispielsweise bei den Imamen Al-Bukhari und Muslim. Während man wartet, dass einem aufgetan wird, sollte man nicht direkt vor der Tür stehen, sondern seitlich rechts oder links von ihr. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und Frieden geben, vermied es in solch einem Fall, direkt vor der jeweiligen Tür zu stehen. Vielmehr stand er in dem Fall seitlich von dieser.