IZ-Begegnung mit zwei Muslimen, Ramzi Brini & Nadia Aharrou, die unabhängig voneinander zwei Arbeitsvermittlungen aufbauten

Ausgabe 200

(iz). Muslimische Beiträge zu wirtschaftlichen Fragen, oder gar praktische Lösungsansätze, sind nicht so häufig gestreut (vgl. S. 11 sowie S. 13f). Daher lohnt es sich hinzuhören, wenn solche angeboten werden. Eine wichtige Frage für viele ist die Suche nach einem menschenwürdigen Arbeitsplatz.

Ramzi Brini und Nadia Aharrou sind zwei ehrenamtlich tätige Muslime, die sich eins auf die Fahne geschrieben haben: Die Berufschancen von Muslimen zu verbessern. Deshalb haben sie – unabhängig vonein­ander – zwei Internet-Jobbörsen gegründet. Nadia Aharrou gründete vor drei Jahren die ­Arbeitsagentur für Muslime, Ramzi vor zwei ­Jahren die Jobbörse für Muslime und Freunde. Hier sprechen sie über Beweggründe, Herausforderungen und Aussichten.

Islamische Zeitung: Wie ist es zur Gründung dieser beiden Initiativen gekommen?

Nadia Aharrou: Die Idee der Arbeits­agentur für Muslime kam mir vor etwa drei Jahren. Damals war ich selbst auf Jobsuche und hatte wegen meines Kopftuchs Schwierigkeiten Arbeit zu finden. Als ich mich beim Arbeitsamt meldete, wurde mir gesagt, dass ich mit dem Kopftuch keine großen Chancen auf einen Arbeitsplatz hätte und ich es lieber able­gen solle. Das war natürlich eine Entmu­tigung vom Arbeitsamt, hat aber auch viel mit den Arbeitgebern zu tun, die keine Frauen mit Kopftuch einstellen wollen und sie somit diskriminieren. Daraufhin wurde mir bewusst, dass nicht nur ich, sondern auch viele ­andere die gleichen Schwierigkeiten haben. Ich wollte etwas tun! Vor zwei Jahren, als ich schon längst eine Stelle gefunden hatte, rief ich dann die Arbeitsagentur ins Leben. Ich wollte, dass eben auch ­Muslime mit Kopftuch auf dem Arbeitsmarkt Gehör finden und durch verschiedene Unternehmen unterstützt werden.

Islamische Zeitung: Wie war das bei ihnen, Herr Brini?

Ramzi Brini: Mitte 2009, als ich selbst auf Jobsuche war, kam mir die Idee ­einer muslimischen Jobbörse. Anfang 2010 machte ich mich dann an die ­Umsetzung, und im Mai 2011 wurde muslimjobs.de dann freigeschaltet. Da ich mich als Diplominformatiker technisch gut ausken­ne und mich der Arbeitsmarkt interessiert, habe ich dieses Pilotprojekt ins Leben gerufen. Ich möchte mit dieser Plattform Jobs anbieten, die speziell für Muslime geeignet sind. Es geht da zum einen um Berufe, die die Expertise von Musli­men erfordern, wie zum Beispiel die Suche nach Imamen, nach Lehrern für den Qur’anunterricht oder auch Krankenschwestern speziell für muslimische Patienten. Zum anderen können auf der Plattform aber auch Stellenangebote inseriert werden, die zum Beispiel muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, ausdrücklich zulassen – wobei sie natürlich nicht andere Menschen ­ausschließen, denn das wäre Diskriminierung. Es geht ja nicht darum, dass wir uns als ­Muslime abgrenzen, indem wir unsere eigenen Jobs nur unseren eigenen Leuten anbieten. Im Gegenteil: es geht darum, dass mehr Jobs für alle, die geeignet sind, zugänglich gemacht werden. Deshalb habe ich die Jobbörse auch „Jobbörse für ­Muslime und Freunde“ genannt.

Islamische Zeitung: Wie kommen die Gesuche und Angebote auf Ihre Website?

Nadia Aharrou: Die Stellenangebote habe ich von verschiedenen Seiten bekommen und eingeholt. Ich habe Emails mit Stellenanzeigen und -gesuchen bekommen, habe im Internet recherchiert, Freunde angesprochen und Unternehmen angeschrieben. Das Feedback war bisher sehr positiv, viele fanden die Initi­ative sehr gut. Ein paar haben über diesen Weg Stellen und Ausbildungsplätze gefunden.

Ramzi Brini: Im Normalfall kommen die Unternehmen und Einzelpersonen auf mich zu. Sie haben entweder durch Mund-zu-Mund-Propaganda, durch gezielte Suche, Empfehlung in Foren oder Werbebanner auf anderen Websites von muslimjobs.de erfahren und schreiben mir dann eine Mail mit ihrem Stellenangebot oder -gesuch. Dies überprüfe ich dann, stelle gegebenenfalls Rückfragen, und setze es dann auf die Website. Dass nun nicht nur Angebote, sondern auch Gesuche zu finden sind, hat sich auf Grund der Nachfrage spontan ergeben. So ist auch die Website organisch gewachsen. Ich schaue, wo Bedarf besteht, und optimiere das Angebot dementsprechend. Momentan besuchen monatlich etwa 700 Besucher die Website, was schon eine gute Zahl ist. Offensicht­lich habe ich durch dieses Experiment eine Marktlücke entdeckt.

Islamische Zeitung: Herr Brini, die Stellenangebote bekommen sie ja aus ganz Deutschland, oder?

Ramzi Brini: Nein, nicht nur, erstaun­licherweise erstreckt sich der Radius viel weiter. Wir bekommen ­Stellenangebote aus der ganzen Welt. Zum Beispiel hat vor kurzem die deutsche Schule in ­Kairo bei uns inseriert, weil sie einen Lehrer oder eine Lehrerin gesucht haben, die Deutsch sprechen, aber gleichzeitig auch mit der ägyptischen Kultur vertraut sind.

Islamische Zeitung: Was ist für die nächste Zeit geplant?

Ramzi Brini: Interessant wäre es zum Beispiel einmal eine Umfrage durchzuführen, um herauszufinden, wie viele die Seite frequentieren, woher diese Leute kommen, wer sie sind und was sie besonders interessiert. Daraufhin könnte ich das Angebot weiter optimieren. Wünschenswert wäre sicher auch noch mehr Fachkompetenz, also Menschen, die sich etwa mit Arbeitsrecht und mit den Möglichkeiten, die Muslime auf dem Arbeitsmarkt haben, auskennen. Man könnte zum Beispiel auch aktuelle Zeitungsartikel, die Muslime auf dem Arbeitsmarkt betreffen sowie eine Auflistung von Anti-Diskriminierungsstellen, Statistiken über die Arbeitsmarktsituation, Gesetze wie das Allgemeine Gleichbe­handlungs-Gesetz (AGG) online zur Verfügung stellen und auch den Bezug zu anderen EU-Ländern herstellen. Das geht natürlich weit über den aktuellen ­Fokus hinaus, denn es würde dann weggehen von der aktuellen, pragmatischen Gesuchs-Plattform hin zu aktuellen politischen Themen wie der Diskriminierung von Muslimen, die eben auch auf dem Arbeitsmarkt stattfindet. Ein anderer Aspekt ist die technische Optimierung. Gern würde ich die Plattform noch übersichtlicher gestalten, denn mit der Komplexität muss die Struktur wachsen. Außerdem würde ich gern die Reichweite erhöhen, etwa bei Facebook präsenter sein, einen Email-Verteiler einrichten und Newsletter mit Inseraten und generellen Informationen gestalten und verschicken. Langfristig könnte ich mir auch eine Jobvermittlungsbörse mit Büro vorstellen. Da ich voll berufstätig bin und das alles ehrenamtlich mache, habe ich momentan leider nicht so viel Zeit. Ich ­hoffe aber, dass sich da Schritt für Schritt ­etwas tut. Das alles kann organisch wachsen.

Islamische Zeitung: Frau Aharrou, sie waren ja direkt mit den erschwerten Bedingungen für Musliminnen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert? Welche langfristige Vision steckt hinter Ihrem Projekt?

Nadia Aharrou: Ich möchte mit der Arbeitsagentur benachteiligte Menschen darin unterstützen, im Berufsleben Fuß zu fassen – insbesondere Frauen, die ein Kopftuch tragen, aber auch alle anderen, die Schwierigkeiten haben, eine ­geeignete Stelle für sich zu finden. Ich würde gern auch Menschen mit Behinderungen bei der Eingliederung in den Beruf unterstüt­zen und die Arbeitgeber in dieser Hinsicht sensibilisieren.

Islamische Zeitung: Was sind konkret ihre Wünsche für die Zukunft der Arbeitsagentur?

Nadia Aharrou: Ich wünsche mir, dass es langsam, aber stetig vorangeht, und dass es mir gelingt die Homepage zu professionalisieren und übersichtlicher zu gestalten. Gern würde ich auch mit verschiedenen Arbeitsagenturen sprechen, um die Möglichkeit zu bekommen mein Projekt dort vorzustellen und eine Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung auszuloten. Vor allem ist es aber nötig Arbeitgebern, das Bewusstsein mitzugeben, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, genau die gleiche Leistung erbrin­gen können wie andere Menschen. Hier müssen Konzepte erstellt, ganze Arbeit geleistet werden. Hier braucht es Leute, die mit ihrer Zeit und Energie dabei sind, um Bürgerinnen und Bürgern zu ­nützen.

Islamische Zeitung: Herr Brini, sie hatten bereits Interviews mit verschiedenen Medien – was war da der Fokus?

Ramzi Brini: Im Fokus der Öffentlichkeit steht momentan vor allem die strukturelle Diskriminierung von Muslimen, die leider Realität ist. Zum ande­ren werden gut ausgebildete, junge muslimische Menschen in der Gesellschaft aber auch immer sichtbarer. Hier ist es interessant, welche ­Arbeitsmöglichkeiten sie haben und wie sie in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ein anderes Interview drehte sich um Ethno-Marketing, wozu ja Angebote von und für Muslime ­zählen.

Islamische Zeitung: Frau Aharrou, was ist ihre Erfahrung als Arbeitnehmerin, die ein Kopftuch trägt?

Nadia Aharrou: Ich selbst habe als Arzthelferin viele positive Erfahrungen mit dem Kopftuch gemacht. Sowohl Muslime als auch Nichtmuslime haben sehr positiv auf mein Kopftuch reagiert. Es sollten wirklich Befragungen von Kun­den, Patienten und Klienten gestar­tet werden, in denen sie gefragt werden, wie Frauen mit Kopftuch bei ihnen ankommen, was sie davon halten, wenn Mitar­beiterinnen ein Kopftuch tragen. Darauf­hin kann man Statistiken erstellen und hat dann etwas Handfestes. Und es wird sich herausstellen, dass kein Arbeitgeber Angst vor Konkurs haben muss, wenn er eine Muslima mit Kopftuch anstellt, und dass die Kunden auch keine Prob­leme machen werden. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Islamische Zeitung: Vielen Dank, Frau Aharrou und Herr Brini!

Arbeitsagentur für Muslime:
sites.google.com/site/arbeitsagenturfuermuslime

Jobbörse für Muslime und Freunde:
www.muslimjobs.de