Wie mit der ­Beschwernis ­umgehen?

Ausgabe 226

(iz). Im 5. und 6. Vers der Sura Asch-Scharh sagt Allah, der Erhabene: „Wahrlich, mit der Beschwernis kommt Erleichterung, mit der Beschwernis kommt Erleichterung.“ Allah unterrichtet uns zu Beginn, dass es zwei widerstrebende Zustände in dieser Welt gibt. Sie ähneln sich einerseits, sind aber andererseits verschieden von den Zuständen der nächsten Welt. Hier handelt es sich um Beschwernis und Erleichterung. Natürlich wird es Trost im Jenseits geben und gewiss wird es auch Schwierigkeiten geben, aber die Zustände im Jenseits unterscheiden sich von jenen in dieser, denn sie währen ewig, während die Zustände in unserer Welt von zeitweiliger Natur sind.
Im Jenseits dauern die Probleme fort: „Aber nein! Wer eine schlechte Tat begangen hat, und wen seine Verfehlung umfangen hält, das sind Insassen des (Höllen)feuers. Ewig werden sie darin bleiben.“ (Al-Baqara, 81)
Die Segnungen des ewigen Lebens sind ebenfalls von Dauer: „Diejenigen aber, die glauben und rechtschaffene Werke tun, das sind Insassen des (Paradies)gartens. Ewig werden sie darin bleiben.“ (Al-Baqara, 82)
Unsere Welt heißt auf Arabisch auch Al-Mulk (das Königreich, das Herrschaftsgebiet). Hier ist der Bereich der Formen und die Domäne des Handelns. Es ist in dieser Welt, in der unser Verhalten bestimmt, ob es uns in der nächsten nutzen oder schaden wird. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es Allahs Barmherzigkeit ist, welche die Leute ins Paradies bringen wird. Al-Mulk ist zeitlich begrenzt, die Akhira (arab. für Jenseits) von Dauer. Beschwernis und Erleichterung sind in dieser Welt vorübergehend und verbunden. Wir bewegen uns immer zwischen beiden: „Wahrlich, mit der Beschwernis kommt Erleichterung.“ (Asch-Scharh, 5)
Diese Aussage zerschmettert die ignorante Aussage, die man gelegentlich von Leuten hört, die ohne Allahs Rechtleitung sind: „Ich möchte, dass diese Probleme vorübergehen, damit ich mit meinem Leben weitermachen kann.“ Unsere Probleme sind unser Leben! Sie sind so unausweichlich wie der Tod. Und so lässt Allah uns wissen, dass es Schwierigkeiten geben wird, aber dann tröstet Er uns augenblicklich, indem er uns mitteilt, dass es nach der Beschwernis Erleichterung geben wird.
Es liegen so viele Geheimnisse, Segen und Weisheit in diesen Versen. Wenn wir ernsthaft über sie nachdenken, gelangen wir zu großem Nutzen und Wissen. „Wahrlich, mit der Beschwernis kommt Erleichterung.“ Warum also Verzweiflung? Als Muslime wissen wir, dass unser Leben zwischen Furcht und Hoffnung pendelt; Hoffnung wegen Allahs Gnade und Furcht vor Seiner Strafe. Verzweiflung ist eine Zurückweisung der erwähnten Verse. Ein Muslim kann es sich überhaupt nicht – ob Schwierigkeit oder Unterdrückung – leisten, an Allahs Hilfe und Barmherzigkeit zu verzweifeln. Das ist ein Zeichen für Unwissenheit und einem angegriffenen Iman. Ist man ernsthaft verzweifelt, sagt man, dass die eigene Lage so gravierend ist, das nichts und niemand einen davon befreien kann, nicht einmal Allah! Dieser Zustand schadet uns nur. Man ruft so den Ärger Allahs an, wenn man doch zwei Rakats [Gebetseinheiten] hätte beten können, in denen man Ihn um Hilfe anfleht.
Verzweiflung ist nicht nur ein Zeichen für schlechte Meinung von sich selbst, sondern auch für eine schlechte Meinung von Allah. Betrachten wir das bekannte Hadith Qudsi zu dieser Frage. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, berichtete uns: „Allah, der Allerhöchste, sagt: ‘Ich bin in der Meinung Meines Sklaven über Mich. Ich bin mit ihm, wenn er sich Meiner erinnert. Wenn er sich an Mich erinnert, dann erwähne Ich ihn in Meiner Anwesenheit. Und wenn er Mich in einer Versammlung erwähnt, dann erwähne Ich ihn in einer Versammlung, die größer ist als diese. Nähert er sich Mir bis zu einer Spanne an, so nähere Ich mich ihm auf eine Armlänge an. Und wenn er zu Mir gehend kommt, eile Ich ihm entgegen.“ (Sahih Al-Bukhari)
Die Gelehrten, möge Allah ihnen barmherzig sein, kommentieren das oben zitierte Hadith Quasi, in dem der Prophet direkt von seinem Herrn berichtete.
Ibn Hadschar sagte: „Das bedeutet: ‘Ich kann alles tun, was er von Mir erwartet.“ (Fata Al-Bari)
Imam An-Nawawi meinte: „Die Gelehrten sind der Ansicht, dass die Hoffnung auf das Beste von Allah darin besteht, zu erwarten, dass Er barmherzig sein wird und dass Er die Bedrängnis hinweg nehmen wird.“ (Scharh Sahih Muslim)
Ahmad ibn ‘Umar Al-Qurtubi war der Ansicht: „Über die Aussage ‘Ich bin in der Meinung Meines Sklaven über Mich’ heißt es, dass der Diener Allahs auf eine Antwort hofft, wenn er Allah anfleht, dass seine Reue angenommen wird, dass etwas Abstoßendes von ihm hinweggenommen wird und dass seine Taten – die den korrekten Bedingungen entsprechen – angenommen werden. Das wird durch die Aussage des Propheten bestätigt: ‘Ruft Allah an, wenn ihr Gewissheit habt, dass euch geantwortet wird.’ Ebenso ist es verpflichtend für jeden, der reuig ist, dass er Vergebung sucht. Und dass er korrekt handelt, um seine Verpflichtungen zu erfüllen, während er sicher ist, dass Allah seine Handlungen annimmt und seine falschen Taten vergibt. Und Allah verspricht, dass Er jede echte Reue und rechtschaffene Handlung annehmen wird. Wer also korrekt handelt und glaubt, aber trotzdem erwartet, dass Allah diese nicht annehmen wird und dass sie ihm keinen Nutzen bringt, dann ist das Zweifel an der Barmherzigkeit Allahs und gehört zu den großen, schwerwiegenden Handlungen. Wer in diesem Zustand stirbt, wird erhalten, was er erwartet.“ (Al-Mufhim li ma Uskhil min Talkhis Kitab Muslim)
Blicken wir in den Qur’an, dann finden wir die folgenden Worte Allahs: „Gedenkt Meiner, so gedenke Ich eurer. Seid Mir dankbar und seid nicht undankbar gegen Mich. Oh, die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Allah ist mit den Standhaften.“ (Al-Baqara, 152-153) Wenn wir eine Antwort für unsere Probleme suchen, dann hier. Wenn Allah sagt, dass Er mit den Standhaften ist, dann heißt es auch, dass Er nicht mit jenen ist, die nicht unerschütterlich sind. Und wem kann geholfen werden, dem nicht so geholfen wird? Es ist tragisch, wenn man Hoffnung verliert; die Tragik der Verzweiflung.
Ibn Al-Qajjim sagte: „Die meisten Leute – eigentlich alle, die nicht von Allah beschützt werden – nehmen nicht die Wahrheit an, sondern das Schlimmste. Viele glauben, dass ihnen Rechte vorenthalten wurden, dass sie kein Glück haben und dass sie mehr verdienen, als Allah ihnen zugesteht. Es ist so, als würden sie sagen: ‘Mein Herr hat mir Unrecht getan und vorenthalten, was mir zusteht.’ Und seine Seele bezeugt dies, während seine Zunge leugnet, es offen auszusprechen. Wer in seine Seele schaut und ihre verwinkelten Ecken kennt, wird das erkennen. Und wenn ihr in die Seele irgendeiner anderen Person blicken könntet, würdet ihr sehen, dass sie das Schicksal beschuldigt und es lieber hätte, wenn die Dinge anders verlaufen wären. (…) Also schaut in euer Selbst: Seit ihr davor geschützt? Wer davor sicher ist, wurde vor etwas Großem beschützt. Andernfalls kann ich nicht erkennen, dass ihr gerettet wurdet.“ (Zad Al-Ma’ad)
Wir finden auch die Stelle, in der Allah sagt: „Gedenkt Meiner, so gedenke Ich eurer. Seid Mir dankbar und seid nicht undankbar gegen Mich. Oh, die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Allah ist mit den Standhaften.“ (Al-Baqara, 152-153) Erinnern wir uns an Allah, erinnert Er sich an uns. Und wenn wir Hilfe in Standfestigkeit und Gebet suchen, dann ist Allah mit uns. Das Gebet [arab. Salat] ist eine Erinnerung [arab. Dhikr] an Allah. Und Dhikr ist jede Handlung, zu der die Anrufung Allahs oder die Rezitation seiner Namen gehören. Das kann im verpflichtenden oder freiwilligen Gebet geschehen, in Liedern, die Allah preisen und verherrlichen, sowie in der individuellen oder gemeinschaftlichen Erwähnung Seines Namens. Allah, verherrlicht sei Er, sagte: „Allahs sind die schönsten Namen; so ruft Ihn damit an und lasst diejenigen, die mit Seinen Namen abwegig umgehen. Ihnen wird das vergolten, was sie zu tun pflegten.“ (Sura Al-‘Araf, 180)
An einer anderen Stelle heißt es: „Und wenn dich Meine Diener nach Mir fragen, so bin Ich nahe; Ich erhöre den Ruf des Bittenden, wenn er Mich anruft. So sollen sie nun auf Mich hören und an Mich glauben, auf dass sie besonnen handeln mögen.“ (Al-Baqara, 186)
Der erste Vers der Sura Al-Fatiha beginnt mit Dank und Lobpreisung Allahs, dem Herrn der Welten. Daher ist es verpflichtend, dankbar zu sein. Allah sagt wiederholt in der Sura Ar-Rahman: „Welche der Wohltaten eures Herrn wollt ihr beide denn leugnen?“ Welche der Segnungen Allahs wollen Menschen und Dschinn denn leugnen? Wenn wir uns ihnen nicht verweigern wollen, müssen wir dankbar sein.
Es gibt keine geheime Formel zur Lösung unserer Schwierigkeiten. Wir müssen Allah gehorchen, uns Seinem Buch zuwenden und die Leute des Wissens in unserer Mitte fragen, wenn wir etwas nicht wissen. Wir fragen nicht und warten, sondern fragen und sind standhaft. Teil der Standhaftigkeit ist die Handlung – und zwar mit Wissen. Es gibt keine Komplikationen im Din, der Islam ist einfach. Es heißt in Allahs Noblem Buch: „Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam als Religion für euch zufrieden. (…) Allah will euch keine Bedrängnis auferlegen, sondern Er will euch reinigen und Seine Gunst an euch vollenden, auf dass ihr dankbar sein möget.“ (Al-Ma’ida, 3 & 5)
Menschen sind kompliziert und sie sind es, die das Leben schwierig machen. Befinden wir uns in Schwierigkeit, müssen wir uns erinnern, dass es Erleichterung gibt. Es gibt keine Notwendigkeit, die Dinge komplizierter zu machen. Um diese Aussage zu bestätigen, sollten wir zum Schluss erneut in die Sura Al-Baqara blicken: „Und als Musa zu seinem Volk sagte: ‘Allah befiehlt euch, dass ihr eine Kuh schlachten sollt!’ Sie sagten: ‘Machst du dich über uns lustig?’ Er sagte: ‘Ich nehme Zuflucht bei Allah (davor), dass ich zu den Narren gehöre!’ Sie sagten: ‘Bitte für uns deinen Herrn, uns Klarheit zu geben, wie sie sein soll!’ Er sagte: ‘Er (Allah) sagt, es soll eine Kuh sein, die weder zu alt noch zu jung zum Kalben ist, sondern dazwischen, in mittlerem Alter. So tut nun, was euch befohlen wird!’ Sie sagten: ‘Bitte für uns deinen Herrn, uns Klarheit zu geben, welche Farbe sie haben soll!’ Er sagte: ‘Er (Allah) sagt, es soll eine gelbe Kuh sein, von lebhafter Farbe, welche die Betrachter erfreut.’ Sie sagten: ‘Bitte für uns deinen Herrn, uns Klarheit zu geben, wie sie sein soll! Die Kühe erscheinen uns (alle) ähnlich. Doch wenn Allah will, so werden wir wahrlich recht geleitet sein.’ Er sagte: ‘Er (Allah) sagt, es soll eine Kuh sein, nicht fügsam gemacht durch Pflügen der Erde noch durch Bewässern von Saatfeld, fehlerfrei und makellos!’ Sie sagten: ‘Jetzt bist du mit der Wahrheit gekommen.’ So schlachteten sie sie, doch beinahe hätten sie es nicht getan.“ (Verse 67-71)
Alles, was sie zu tun hatten war die Schlachtung einer Kuh – irgendeiner Kuh. Aber weil sie ein ungehorsames Volk waren, das seine Propheten, möge Allah ihnen Frieden geben, unterminierte und das den Befehlen Allahs nicht ohne zu fragen folgte, machte Allah die Dinge schwierig. Am Ende unterließen sie beinahe, was ihnen befohlen war.