Jurist Fateh-Moghadam sieht „Zwangs-Säkularisierung“ in Europa

Ausgabe 201

(exc). Ein Burka-Verbot wäre in Deutschland nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Verbot der Verschleierung im öffentlichen Raum werde oft paternalistisch mit der „Befreiung der muslimischen Frau“ begründet, oder moralistisch, ­sagte der Strafrechtsvergleicher Dr. Bijan Fateh-Moghadam vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ am 14.2. in Münster. „Beide Begründungen sind mit der religiös-weltanschaulichen ­Neutralität des Strafrechts, die aus dem Grundgesetz folgt, und der Beschränkung des Strafrechts auf den Rechtsgüterschutz nicht vereinbar.“

Wenn religiös-fundamentalistische Staaten einen Verschleierungszwang ausübten, dürften Rechtsstaaten nicht mit dem Verbot der Verschleierung reagieren. „Vielmehr sollte positive wie negative Religionsfreiheit garantiert werden – bei strikter Wahrung religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates.“ Nach Frankreich und Belgien hatte zuletzt die niederländische Regierung einem Verbot zur Vollverschleierung auf öffentlichen Plätzen zugestimmt.

Verbote führen nach Einschätzung von Dr. Fateh-Moghadam zu einer „Zwangs-Säkularisierung“ der Gesellschaft. Rechtsgrundsätze säkularer Demokratien wie die Religionsfreiheit und staatliche Neutralität gerieten ins Wanken. „Bislang blieb die Diskussion meist darauf beschränkt, ob Lehrerinnen in staatlichen Schulen den Schleier tragen dürfen“, sagte der Jurist. Mit einer Ausweitung der Verbote auf den ­gesamten öffentlichen Raum werde ein „quasi-fundamentalistisches Regime der Laizität“ etabliert, das nicht mehr nur auf die Trennung von Kirche und Staat, sondern auf einen religionsfeindlichen Säkularismus ziele und religiöse ­Symbole unter einen Kulturvorbehalt ­stelle.

„Die Diskussion über die Burka in Europa zeigt, dass die geänderte ­Wahrnehmung des Islams in der Folge der Anschläge des 11.09.2011 zu ­einer Spannung im Verhältnis von Religion und Recht in Europa geführt hat, auf die unterschiedliche Rechtsordnungen verschieden antworten“, sagte der Rechtssoziologe und vergleichende Staatsrechtler.