Kabul: Riad und Teheran bemühen sich um einflussreiche Positionen. Von Emran Feroz

Ausgabe 213

Am Hindukusch intervenieren nicht nur die USA, NATO und einflussreiche Nachbarn. Der Iran und Saudi-Arabien sind gleichermaßen bemüht, Einfluss auf die Geschicke der zerschundenen muslimischen Nation zu nehmen.

(iz). Seit jeher ist Afghanistan aufgrund seiner geografischen Lage ein Schlachtfeld der Supermächte. Die Kriege, die immer wieder auf Kosten der Zivilbevölkerung ausgetragen wurden, lagen meistens im Interesse von Sowjets, Europäern oder Amerikanern. Dabei wird ein weiterer Kampf oft ­außer Acht gelassen: Jener zwischen Schiiten und Wahhabiten, sprich, der kulturelle Machtkampf zwischen den iranischen Ayatollahs und saudischen Interessen.

Vor Kurzem wurde bekannt, dass die saudische Regierung den Bau eines islamischen Zentrums in Kabul im Wert von hundert Millionen Dollar plant. Das Gebäude soll die größte Moschee werden, die die afghanische Hauptstadt jemals gesehen hat. Des Weiteren soll der Gebäudekomplex eine Universität beinhalten, die mehr als fünftausend Studen­ten Platz bieten soll.

Im Großen und Ganzen klingt solch ein Projekt nicht schlecht. Die afghanische Bevölkerung freut sich meistens über derartig großzügige Spenden. Wer ­jedoch den Sinn dahinter erkennt, wird alles andere als erfreut sein. Hundert ­Millionen US-Dollar sind nicht viel Geld für König Abdullah und seine Dynastie, die sich hauptsächlich auf den Kauf von amerikanischen und deutschen Waffen – die um einiges teurer sind – spezialisiert hat.

Riad hat vor allem ein Ziel: Es will hier seine Ideologie, den Wahhabismus, ver­brei­ten. Am einfachsten funktioniert das, indem man weltweit so genannte „islami­sche Zentren“ errichtet. Der Weltöffent­lichkeit wird dann fälschlicherweise versichert, dass solche Zentren unabhängig seien und nicht politisch agieren würden. So haben es die Saudis vor ­Kurzem sogar geschafft, in Wien ein derartiges Zentrum zu errichten.

Da vergisst man auch gerne, dass Saudi-Arabien einer von jenen drei Staaten weltweit war, der damals die Taliban-Regierung in Afghanistan anerkannt hat. Kein Wunder, denn die politische Bewegung der Taliban wurde von Grund auf von den Saudis gefördert. Alle Gruppierungen, die vom saudischen Regime unterstützt wurden, neigen unter anderem dazu, islamische Heiligtümer und andere kulturelle Stätten wie die Buddha-Statuen von Bamiyan zu zerstören.

Ein weiterer Akteur, der in dieser Hinsicht sehr ähnlich in Afghanistan agiert, ist der Iran. Dieser versucht schon seit Jahren, seine Revolutionsbotschaft auch im Nachbarland zu verbreiten. Während die afghanischen Flüchtlinge im Land wie Sklaven behandelt und ausgebeutet werden, versuchen die Mullahs um Ahmadinedschad mit Hilfe von afghanischen Marionetten im Land Einfluss zu gewinnen. Dabei wird jedoch vorerst nicht radikal versucht, dass Schiitentum zu verbreiten. Viel mehr greift man auf kulturelle Gemeinsamkeiten wie die persische Sprache zurück. So wurden zum Beispiel jahrelang die persischen Schulbücher Afghanistans im Iran gedruckt und mit Propaganda gefüllt.

Eine erwähnenswerte Schachfigur des Irans ist unter anderem der Gouverneur der Provinz Balkh, Noor Mohammad Atta. Der ehemalige Warlord, der das Blut zahlreicher Unschuldiger an seinen Händen hat, wollte vor einigen Monaten einige Straßen in Mazar-e Scharif nach iranischen Diplomaten benennen. Es sollte sich um die Namen jener Diplo­maten handeln, die einst vom Taliban-Regime ermordet wurden. Obwohl es bis heute nicht eindeutig klar ist, ob es tatsächlich Diplomaten waren, wurde damals dadurch fast ein Krieg zwischen dem Iran und Afghanistan ausgelöst. Attas Vorhaben stieß auf heftige Kritik der Bevölkerung, wurde allerdings gerade erst verwirklicht.

Ein weiteres Beispiel für die Einflussnahme des Irans in Afghanistan war der getötete Ex-Ministerpräsident Burhanuddin Rabbani. Der geistige Führer der Nordallianz hatte während seiner Amtszeit in den 1990er Jahren beste Kontakte zum Iran. So schloss er unter anderem mit der Regierung in Teheran ein Bündnis1 ab, um die persische Kultur in Afgha­nistan zu fördern.

Im Gegensatz zu den Saudis schlägt der Iran Umwege ein, um seinen Einfluss in Afghanistan zu erweitern. Fakt ist dennoch, dass beide Staaten das ­selbe Ziel verfolgen. Obwohl der Großteil der Bevölkerung mit den Ideologien beider Länder nichts zu tun haben will, lassen sich immer wieder käufliche Politiker oder Fanatiker finden, die im Interesse der jeweiligen Partei handeln.

1 1991 unterschrieben Rabbanis Partei Jamiat-e Islami gemeinsam mit der Hezb-e Wahdad, dem Iran und Tadschikistan einen Vertrag, um die persische Kultur zu fördern („Die Geschichte Afghanistans” von Habibo Brechna, S.423)