Khalil Breuer kommentiert den augenblicklichen Aggregatzustand der muslimischen Verbände in Deutschland

Ausgabe 205

(iz). Die Muslime stehen wie nur zuvor unter Druck. Negative Berichterstattung, Abgrenzungsprobleme zu Extremisten und öffentliche Assoziationsketten, die über vier ­Millionen Muslime in den Raum von Verbrechen und Gewalt stellen. Die Liste ist lang. Die Liste der Aktionen, die auf diese erschütternde Lage reagieren, ist es leider nicht. Gerade hier wäre aber eine koordinierte, kreative und überparteiliche Plattform nötig.

Geht man auf die Webseite der größten Interessenvertretung des Islam in Deutschland, den Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, könnte die Ernüchterung nicht größer sein. Mehr noch: Seit 2007 ist es dem Rat nicht einmal gelungen, in Berlin anzukommen. In der mediengeprägten deutschen Öffentlichkeit ist das ein schwerer Fehler. ­Seine redegewandten und talentierten Vertreter sitzen noch immer in der Provinz. Das ist keine Frage des Geldes, sondern leider wohl eher Absicht.

Um den geplanten Stillstand besser zu verste­hen, muss man sich die verkrustete Struktur vergegenwärtigen. Angetreten mit der Idee einer „Einheit“ der Muslime zementiert der KRM in Wirklichkeit die Gräben. ­Auffallend ist auch, dass der Koordinationsrat seine Gelehrten eher kurz hält und gerade jetzt wichtige religiöse Aussagen und fundierte Abgren­zungen meidet. Die großen Moscheeverbände stärken den KRM weder inhaltlich noch finanziell, fürchten sie doch, dass ein starker Rat die Macht der angeschlossenen Verbände begrenzen könnte. Es ist das alte ­Dilemma des politischen Islam: Es geht immer nur um die Stärkung der eigenen Macht. Nötig wäre aber jetzt ein Forum, das die kreativen Kräfte der Muslime schnell bündelt, zusammenführt und für den Erfolg anderer ­arbeitet.

Was tun? Natürlich werden Kritiker schnell selbst angegriffen und zur Solidarität verdonnert. Aber – konstruktiv gesehen – es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder drängen die junge Muslime in den Verbänden – die mit den ethnischen Grenzziehungen nichts mehr anfangen können – zur Veränderung oder aber man vergisst die Idee einer angeblichen Stärke, die sich nur noch durch ausgewiesene Mitgliederzahlen definiert. Wäre weniger gar mehr?

Die Zeit drängt. Wir brauchen eine Graswurzelbewegung und Koordination, die sich nicht bürokratisch einigelt, sondern sich Neuem interessiert öffnet. Gerne auch mit dem KRM, notfalls aber auch ohne. Kurzum: Wann beginnt das Ende der Sommerpause?