Kniender Protest im Stadion

Ausgabe 269

Foto: Von Sir James at [1] - Eigenes Werk | Lizenz: CC BY-SA 3.0

(iz). Kniend gegen Diskriminierung: Bereits letztes Jahr machte der damalige Footballspieler Colin Kaepernick durch die Protestgeste auf die Diskriminierung von Schwarzen aufmerksam. Unter dieser Aktion einten sich in nur wenigen Wochen viele gleichgesinnte Teams der NFL. Einen neuen Höhepunkt erreichte diese Form des Protests aber Ende September mit den Aussagen Donald Trumps, der diese Aktion mit den Worten „inakzeptabel“ und „respektlos“ herabwürdigte.
Nun ist der Kniefall als friedliche Protestform auch in Deutschland angekommen: Fußballvereine wie der Hertha BSC Berlin setzen vor Spielbeginn auf dem Rasen kniend ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Toleranz. Doch ähnlich wie in den USA werden auch in Deutschland kritische Stimmen laut. Sie wünschten sich „bei allem Verständnis“ andere Austragungsorte der Proteste, fordern nicht selten den Ausschluss der Spieler aus den Vereinen oder tun Rassismus und Diskriminierung schlichtweg als realitätsferne Übertreibung ab.
Doch die Präsenz diskriminierender Politiken gegenüber Minderheiten ist bei weitem kein illusorisches Trugbild. Die Fälle Micheal Brown, Walter Scott und Eric Garner – die alle unbewaffnet von weißen Polizisten erschossen wurden – stellen nur die Spitze des Eisbergs anhaltender Diskriminierungspraktiken in den USA dar. Auch über 50 Jahre nach dem offiziellen Ende der Rassentrennung sind Schwarze und Farbige in höheren Ämtern stark unterrepräsentiert, werden häufig Opfer von rassistischer Profilerstellung und spielen selbst auf der Kinoleinwand oft nur die Rolle des personifizierten Bösen.
Spätestens mit dem Einzug der AfD in den Bundestag lässt sich auch der Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft nicht mehr leugnen. Umso wichtiger sind klare Statements – nicht nur seitens PolitikerInnen. Gerade der Sport eint Menschen unterschiedlicher Ansichten und erreicht über die Zuschauer in Stadien und vor den Bildschirmen Millionen von Menschen.
Nicht erst seit Muhammad Ali seine politischen Überzeugungen dem Weltmeistertitel vorzog, wissen wir, welches Potential SportlerInnen innehaben, politische Probleme anzugehen. Ebenso verfehlte der Kniefall des mittlerweile arbeitslosen Kaepernick seine Wirkung keineswegs. Sport ist Teil der Gesellschaft, war deshalb nie unpolitisch und wird es auch nie sein können.
Wo also, wenn nicht im Sport, sollten antirassistische Protestaktion sonst ausgetragen werden? Personen, die fordern, dass sich die Spieler auf ihre Leistung zu konzentrieren hätten, verkennen das gewaltige Ausmaß diskriminierender Politiken und die damit einhergehende Bedeutung der Solidarität. Für viele Minderheiten gehören verbale und nonverbale rassistische Angriffe zum Alltag. Gerade mit dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa und den USA stehen Schwarze und Angehörige anderer Minderheiten vermehrt im Fokus politischer Entscheidungen. Die Bedeutung der Solidarität ist aus diesem Grund wichtiger denn je.
Letzten Endes bildet die Diskussion um den Kniefall nur die Kumulation vorangegangener Debatten um Rassismus, Diskriminierung und dem Umgang mit Minderheiten ab. Solange offensichtlich rassistische Aussagen – und zwar nicht nur von PolitikerInnen – von der Gesellschaft hingenommen werden, solange sind auch friedliche Protestaktionen im Sport zu tolerieren!