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Körperschaftsstatus für islamische Religionsgemeinschaften?

Ausgabe 293

Foto: SCHURA Hamburg

(iz). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für islamische Religionsgemeinschaften war Thema einer Fachtagung in Hamburg. Hierzu hatte die SCHURA Hamburg Karina Berg (Humanistischer Verband Deutschlands), Dr. Raida Chbib (Politik- und Islamwissenschaftlerin Universität Frankfurt/Main), Prof. Gritt Klinkhammer (Religionswissenschaftlerin Universität Bremen) und Prof. ­Mathias Rohe (Jurist und Islamwissenschaftler Universität Erlangen-Nürnberg) als Referenten geladen, um mit Gemeindevertretern und weiteren Interessierten über Chancen und Herausforderungen zu diskutieren.

Neben aktuellen Diskussionen um Moscheesteuer und Imamausbildung war für SCHURA Hamburg Anlass hierfür der in diesem Bundesland seit 2013 bestehende Staatsvertrag: In diesem ist nach 10 Jahren Verhandlungen zu dessen Ergänzung und Änderung festgeschrieben, wobei von der islamischen Religionsgemeinschaft die Erlangung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angestrebt wird. Wie SCHURA-Vorstandsmitglied Norbert Müller in der Einführung zur Tagung betonte, wolle die SCHURA auf dem mit dem Staatsvertrag eingeschlagenen Weg der institutionellen Anerkennung islamischer Organisation weiter vorangehen, da sich dieser als erfolgreich erwie­sen habe. Da das Thema Körperschaft komplex und vielschichtig sei, wolle man mit dieser Tagung einen Diskussionsprozess auf fundierter Grundlage starten.

Zu den Körperschaften, die erst kürzlich ihre Anerkennung erhielten, gehört der Landesverband Berlin-Brandenburg des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD). Über die Erfahrungen hiermit berichtete deren Landeskoordinatorin Brandenburg, Karina Berg. Auf die Frage, was die Körperschaft gebracht habe, antwortete diese „Zunächst viel Arbeit.“ Nachdem der erste Antrag zunächst abgelehnt wurde, habe das Anerkennungsverfahren über 10 Jahre gedauert. 2018 sei die Anerkennung dann in Berlin erfolgt und 2019 in Brandenburg. Spürbar sei seitdem ein mehr an Prestige für den Verband. Der Körperschaftsstatus werde als ein „Gütesiegel“ wahrgenommen. Es gebe einen politischen und medialen Bedeutungsgewinn aber auch mehr Verantwortung. Man könne mehr Einfluss nehmen, was aber mit ­erheblichen Anforderungen verbunden sei, sich in unterschiedlichen Bereichen positionieren zu müssen. Dagegen führe die Körperschaft nicht automatisch zu einer finanziellen Besserstellung, zumal die Unterhaltung der Struktur mit erheblichen Ausgaben verbunden sei. Man finanziere sich weiter durch die am Einkommen orientierten Beiträge der ca. 13.000 Mitglieder sowie aus Spenden, Erbschaften  und Einnahmen aus sozialen Aktivitäten. Seitens des HVD werde es ausdrücklich begrüßt, wenn auch isla­mische Religionsgemeinschaften wie die SCHURA die Körperschaftsrechte erlan­gen würden. Es sei an der Zeit, dass auch auf dieser Ebene den Kirchen andere ­Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gleichgestellt würden.

Raida Chbib stellte in ihrem Vortrag die Entwicklung muslimischer Institutionalisierung in Deutschland dar. Diese vollzog sich über mehrere Etappen: von der Vereinsgründung für lokale Gebetsräume in den 1960er Jahren über die Bildung ethnisch orientierter Verbände in den Achtzigern, sowie dann Ethnien und Rechtsschulen übergreifenden Landesverbänden nach der Jahrtausendwende, bis zur Kooperation mit dem Staat mittels Staatsverträgen, Beiräten und öffentlich geförderter Projektarbeit. Hier reflektierten sich auch Wandlungen im Verhältnis zwischen Staat und Muslimen von der gegenseitigen Indifferenz bis weit in 1990er Jahre über eine gestei­gerte aber oft auf Sicherheits- und Integrationsfragen fokussierte Wahrnehmung bis zur Kooperation durch Verträge. Für die Zukunft islamischer Institutionalisierung sei wesentlich die Weiterentwicklung zu einem Teil der ­Zivilgesellschaft.

Für Hamburg sah die Frankfurter ­Islamwissenschaftlerin ein fortgeschrittenes Stadium der Institutionalisierung. Dieser beruhe bei der SCHURA einerseits auf einer gelungenen Einbeziehung der unterschiedlichen örtlichen Moscheevereine und andererseits auf einem ­entwickelten Dialog mit Politik und Gesell­schaft. Die Zukunftsanforderungen seien eine bessere Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Nachwuchs- und Frauenförderung, ein breiteres zivilgesellschaftliches Engagement sowie ferner Straffung der Strukturen, Professionalisierung der Arbeit und bessere Finanzierung. Werde die Körperschaft angestrebt, so erforderte dies auch eine we­itere Überwindung von Binnengrenzen sowie mehr Flexibilität gegenüber bundesweiten Dachverbänden.

Gritt Klinkhammer war Verfasserin des religionswissenschaftlichen Gutachtens über SCHURA zum Staatsvertrag. Darin wurde festgestellt, dass es sich bei SCHURA um eine Religionsgemeinschaft handelt aufgrund des Bestehens einer umfassenden Religionspflege nach dem geistigen Gehalt und äußeren Erscheinungsbild des Verbandes. Da die Körperschaft zunächst das Bestehen einer Religionsgemeinschaft voraussetzt, wäre diese Voraussetzung hier schon erfüllt. Aktuell sieht Prof. Klinkhammer Stabilisierung und Ausbau der damals schon bestehenden Strukturen. Weiterhin nicht geklärt sei allerdings die Mitgliedschaftsfrage. Bei einer Körperschaft bedürfe es verbindlicher Angaben über die Mitglieder der Religionsgemeinschaft beziehungswei­se der Mitgliedsvereine. Eintritt und Austritt müssten rechtlich klar geregelt sein.

Mathias Rohe ging in seinem Vortrag auf die Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft ein. Neben dem Bestehen einer Religionsgemeinschaft seien dies die Gewährleistung der Dauer und die Rechtstreue des Verbandes. Das Kriterium der Dauer sei eine Zukunftsprognose aufgrund aktueller Gegebenheiten. Der Staat wolle das dauerhafte Bestehen der Verbandsstruktur gewährleistet haben. Hierfür spiele auch das Vorhandensein notwendiger finanzieller Ressourcen eine Rolle. Auch Prof. Rohe verwies auf die Erforderlichkeit von Mitgliederlisten. Er vertrat zudem die Einschätzung, dass in einem Anerkennungsverfahren der Einfluss ausländischer Organisationen eine Rolle spiele, wobei nicht das Bestehen theologischer Autoritäten, sondern ein politischer Einfluss auf die Religion kritisch gesehen würde. Ebenso wichtig wie die Erfüllung rechtlicher Kriterien erachtete Rohe die Etablierung eines Vertrauensverhältnisses. Er empfahl den Muslimen dringend, ihre Prozesse einschließlich interner Konflikte möglichst transparent zu gestalten. Angesichts rauer werdender politischer Auseinandersetzungen werde es zudem immer wichtiger, dass die Muslime für ihre Anliegen gesellschaftliche Verbündete gewännen.