Kommentar: Einführung von Barak Rabinovitz

Ausgabe 223

(iz). Nicht jeder Mensch will glücklich sein. Noch weniger Menschen sind dazu bereit, etwas ­dafür zu tun, um glücklich zu werden; Opfermentalität ist eine Plage unserer Zeit. Ein Opfer zu sein, bedeutet eine bequeme Position inne zu haben, innerhalb derer man keine Verantwortung übernehmen muss: an allem sind immer andere Menschen und äußere Umstände schuld. Wenn ein Mensch wirklich etwas will, findet er immer einen Weg – und wenn ein Mensch etwas nicht will, findet er immer eine Ausrede.

Eine andere Plage unserer Zeit ist die „Fertig-Konsum-Mentalität“: Der Mensch distanziert sich von allen Prozessen und muss sich an keinem Prozess mehr beteiligen. Er bezahlt Geld und bekommt ein fertiggestelltes Produkt. Das Glück bekommt man in so einer Verpackung nicht, schon gar nicht das Alltagsglück, oder das Glück des Alltäglichen.

Es gibt jedoch Menschen, die danach suchen und bereit sind, mit dem Glück des ­Alltäglichen zusammenzuarbeiten, sich mit ihm anzufreun­den und es schließlich zum natürlichen und organischen Teil ihres Lebens und ihrer Familie zu machen.

Ausgerechnet der Islam, eine Religion, die ­vielen im Westen als oberflächlich erscheint und viel zu wenig bekannt ist, bietet einen kurzen und sehr praktischen Weg, auf dem wir das Alltags­glück zu unserem Gefährten und Begleiter machen können. Und zwar durch die Umsetzung der fünf Säulen des Islam.

Religiös gesprochen könnten wir den Menschen mit einem Tempel vergleichen. Jeder von uns, der über ein wenig Vorstellungskraft verfügt, kann für fünf Minuten seine Augen meditativ schließen und sich selbst als ein sakrales Gebäude vorstellen – ganz unabhängig von Religion und Konfession. Wie jedes andere beliebige Gebäude ruht auch unser Gebäude auf verschiedenen Säulen.

Manche Säulen sind tragende Säulen, andere sind Dekorations- und Schmucksäulen. Viel zu oft täuschen wir uns und verwechseln die tragen­den mit den dekorativen, verlagern das Gewicht auf sie und wundern uns darüber, warum das, was wir gebaut haben, immer wieder in Trümmern versinkt. Und dennoch wiederholt der Mensch diesen Fehler immer wieder. Bis er erkennt, dass die Schmucksäulen die Last des Alltags nicht aushalten können und brechen.

Es gibt jedoch auch die tragenden Säulen. Diese sind möglicherweise nicht so spektakulär, nicht so schön und nicht so fein wie die anderen, aber sie tragen die Last des Alltags und erlauben den vollen Genuss der zierlichen und zerbrechlichen Schmucksälen. So bleibt das ganze Gebäude standfest stehen – bei Sonnenschein, Regen oder Sturm.

Der Islam beinhaltet fünf solche tragende Säulen. Die erste Säule ist das Bekenntnis. Der Weg zum Glück beginnt mit dem Finden des ­eigenen Platzes im Universum; mit der Erkenntnis ­dessen, was man ist, woran man glaubt und was man bekennt, oder besser, was man bezeugt. Es geht nicht um leere Postulate oder philosophische Maxime.

Es geht ausschließlich darum, woran der Mensch tatsächlich glaubt, nach welchen Prinzipien er handelt, was er mit seinem Leben in jedem Moment bezeugt und wozu er sich damit bekennt. Es geht um Werte, die nicht einfach austauschbar sind, weil sie tragende Elemente des Lebens darstellen Möglicherweise ist so ein Mensch nicht Held genug, um für sein Bekenntnis und für seine Werte zu sterben, aber er ist definitiv Held genug, um für sie zu leben. So beginnt der Weg zum Glück – nicht damit, was man tut, sondern mit dem, was man ist.

Unser Bekenntnis ist die Ursache dessen, was wir sind und unser Sein ist die Ursache jedes Wortes, jedes Gedankens und letzendlich auch unseres Handelns. Das bringt den Menschen ins Reine mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit dem Universum und mit Gott. Er erkennt sich selbst, er weiß, woran er glaubt und von welchen Werten und Überzeugungen er ­geleitet wird, wo er zustimmt und was er ablehnt. Jede Lebenserfahrung wird dementsprechend aus der Retrospektive seines Bekenntnisses betrachtet und als Baustein an den richtigen Platz gerückt und integriert werden. Diese Säule ist das, was den Menschen in seinem Kern ausmacht, woran er glaubt und was er mit seinem Leben bezeugt. Diese Säule muss immer gepflegt werden.