Kommentar: Sulaiman Wilms schüttelt den Kopf über die angekündigten Sonder-Arbeitsgebiete für Frauen in Saudi-Arabien

Ausgabe 207

(iz)- Es gibt Momente, in denen man einen Sachverhalt unreflektiert durchs Großhirn winkt, nur um danach sofort inne zu halten und sich zu fragen, was hier nicht stimmt. Ich hatte den letzten Augenblick dieser Art am 7. August, nachdem ich über eine skurrile Agenturmeldung stolperte, die mich zwischen Unglauben und Verärgerung oszillie­ren ließ. Das Königreich Saudi-Arabien ­wolle demnach in Zukunft Industriestädte „exklusiv nur für Frauen“ bauen. Bei der Millionenstadt Hofuf plant die irrsinnig ­reiche Wüstenmonarchie eine neue Siedlung zu schaffen, in der nur Betriebe angesiedelt werden, die eine weibliche Führung hätten und weibliche Mitarbeiter. Dem sollen auch noch Wohn- und Einkaufsmöglichkeiten – alles ausschließlich für Frauen – angeschlossen werden.

„Dem Projekt in Hofuf sollen an anderen Orten weitere solcher ‘Industrie-Citys’ ­folgen, die es Frauen ermöglichen, dort zu ­arbeiten, ohne gegen Wahhabitische Vorschriften zu verstoßen, die auf Trennung von Frauen und Männer bestehen“, schrieb ein deutsches online-Medium zum Thema. Als Medienmacher ist man mit Recherchefehlern konfrontiert. Allerdings offerierte ein ­kurzes ­Suchen via Google keinen Trost. „Die ­mei­nen das wirklich ernst!“, wurde mir schlagartig bewusst.

Nach beinahe einem Jahrhundert Dominanz einer ideologischen Auslegung des ­Islam auf der Halbinsel, die nur wenig bis gar nichts mit dem klassischen Verständnis und der Klugheit früherer Rechtsexperten zu tun hatte, erleben wir hier eine weitere Mutation des neurotischen Verhältnisses zum Thema „Frauen“ und des obsessiven Wunsches, sie kontrollieren zu müssen.

In der ersten Phase – von der Staatsgründung in Riad bis heute – wurde ein gesellschaftliches Klima (inklusive frauenfeindlicher Interpretationen) geschaffen, in dem Frauen nicht viel mehr sind als ein Besitz der Familie. Angesichts der alltäglichen Terrorisierung von und eines gelegentlich evidenten Hasses auf Frauen, stellen sich ­immer mehr Muslime die Frage, inwieweit solche Positionen noch Gültigkeit für sich beanspru­chen können, wo sie doch so krass dem gesam­ten Lebensvorbild des Propheten widersprechen. Im offenkundigen Gegensatz zur kollektiven Neurose in der Region (die sich als „Islam“ verkauft) luden der Prophet und seine Nachfolger Musliminnen zur Beteiligung an der Gemeinschaft ein, achteten ihr Wissen und motivierten sie, anstatt sie auf die Funktion einer entrechteten Konsumen­tin zu reduzieren.

Im Projekt Hofuf – und an anderen Standorten – aber muss die Frau nicht nur weiterhin als angebliche Verführerin von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, sie darf sich zukünftig auch noch als entfremdetes Subjekt im Rahmen der modernen Ökonomie ausbeuten lassen. Dadurch aber kommt ihr das schlechteste aus beiden Welten ­zuteil.

Denn im traditionellen Modell hatte sie immerhin noch einen Versorgungsanspruch gegen­über dem Patriarchat und ihrer Familie. Hier wird die Frau zum ökonomischen Wert; das aber moralisch korrekt.