Brauchen wir wirklich einen Muslimtag?

Ausgabe 200

(iz). Es zählt zu den Grundwahrheiten, dass wir eine gute Idee nicht nur deshalb zurückweisen sollten, weil sie aus einer ungewohnten Quelle stammt. Ein guter Gegner ist oft mehr wert als ein lauer Freund. Hilft er doch, die Sinne zu schärfen und eigene Argumente auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Es sind diese Augenblicke, die zeigen, ob sie tragfähig sind oder nicht.
Am 12. Januar präsentierten die „liberalen“ Muslime Lamya Kaddor (vom Liberal-Islami­schen Bundes LIB) und Abdul-Ahmad Rashid (ZDF-Journalist und – laut Insidern – ebenfalls im Umfeld des LIB) im Deutschlandfunk ihren Vorschlag, Muslime sollten analog zu den beiden Großkirchen einen so genannten „Muslimtag“ veranstalten. Zur ­Finanzierung eines solchen Events meinte ­Rashid, diese sollte zunächst über Sponsoren erfolgen. Er denke dabei nicht an ausländische Geldgeber, etwa aus Saudi-Arabien, ­sondern vor allem an deutsche Stiftungen. „Ich denke, da wäre Offenheit in der deutschen Gesellschaft“, so der Journalist. Inwieweit die diversen offiziösen oder interessengeleiteten deutschen Stiftungen für „Offenheit“ stehen, ließ der ZDF-Journalist offen. Solche Körperschaften haben sich in der Vergangenheit in Sachen muslimischer Community mehrheitlich wohl kaum von den ­Interessen der Betroffenen leiten lassen.
Nun wir sind mit einem Vorschlag konfrontiert, dessen Impuls nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist. Ob es dazu einen muslimischen „Kirchentag“ braucht, oder ob wir nicht viel mehr alltägliche Begegnung in Moscheen, Initiativen und in der Nachbarschaft brauchen, kann und muss debattiert werden. Aus unserer eigenen Erfahrung – bei der Organisation von mehreren Marktfesten in Köln – konnten wir erleben, wie positiv Muslime und Nichtmuslime ­reagieren, wenn man Foren der Begegnung und des Austausches schafft.
Von daher ist es zu begrüßen, wenn Deutschlands Muslime Veranstaltungen diesen Charakters kreieren würden, auf denen sie – ohne die bisherigen Hierarchien und ohne die üblichen, subtilen Interessen – konstruktiv und offen zusammenkämen. Nach mehreren persönlichen Erfahrungen mit real existierenden Kirchentagen würde ich mir wünschen, dass vergleichbare Events eine eigenständige Identität besitzen. Die Frage ist aber, ob der fehlenden Setzung von Prioritäten innerhalb der muslimischen Community abgeholfen wird, wenn niemand mehr in der Lage ist, Werte zu setzen.
Genau wie die in den letzten Jahren an die Oberflächliche getretene salafitische Bewegung ist auch der von Rashid und Kaddor eingebrachte Vorschlag vor allem die Reflexion eines Mankos, das von der mangelnden Handlungsfähigkeit des Mainstream-Islams hinterlassen wird. Würden die bestehenden Verbände einen kleinen Teil ihrer beschränkten Ressourcen und Mittel einsetzen, hätten sie – analog zum diesjährigen „Revive the Islamic Spirit“-Meeting in Toronto – längst vergleichbares auf die Beine stellen können. Dies würde aber einen Esprit voraussetzen, der sich am Wohl der gesamten Community und nicht nur an dem der Mitglieder orientiert.
Bei aller Positivität angesichts der Vorstellung eines allgemeinen Events von und für Muslime wäre es aber verheerend, wenn ein politischer Islam (auch der Islam von Lamya Kaddor ist ein politischer, wenn auch korrekt gewendeter) hier die Deutungs- und Organi­sationshoheit bekäme. Ein Muslimtag soll ja nicht der eigenen Dominanz, sondern der Com­munity dienen.