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Kommunalwahlen im Schatten der Islamdebatte

Foto: highwire75, flickr

Am Sonntag findet die erste Runde der Kommunalwahlen in Frankreich statt. Besonders der Umgang mit den Muslimen in französischen Städten und Gemeinden sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen. Von Hans-Helmut Kohl

Paris (KNA). An den nächsten beiden Sonntagen werden in 36.000 französischen Gemeinden und Städten Gemeinderäte und Bürgermeister gewählt – mitten in der Coronavirus-Krise. In der Hauptstadt Paris will die Sozialistin und amtierende Bürgermeisterin Anne Hidalgo ihr Amt gegen die Konservativen und die Kandidatin der Präsidenten-Partei „La Republique en Marche“ (LREM) verteidigen.

Als guter „Pater familias“ hat Staatschef Emmanuel Macron pünktlich um 20 Uhr am 12. März auf allen TV- und Radiokanälen zur Nation gesprochen. So will es die Tradition der Republik, seit Charles de Gaulle 1958 als Retter in der Staatskrise der fallenden Vierten Republik aus dem Ruhestand gerufen wurde. In den Turbulenzen der vergangenen Woche, geprägt von Panikkäufen und widersprüchlichen Prognosen, ist dabei ein Thema untergegangen, das über viele Wochen den Wahlkampf prägte: der Kommunitarismus.

Dieser Begriff, für den es keine treffende deutsche Übersetzung gibt, kennzeichnet laut Wörterbuch einen Denkansatz, „der einer Gemeinschaft (ethnisch, religiös, kulturell, sozial, politisch, mystisch, sportlich) einen zumindest gleichen, wenn nicht größeren Wert zumisst als den universellen Rechten wie Freiheit und Gleichheit“. Kommunitarismus wurde in Frankreich besonders mit Blick auf die geschätzt acht Millionen Muslime ein immer häufigeres Schlagwort in der politischen Debatte.

Ein anderes Schlagwort in diesem Wahlkampf war schon länger bekannt, es lautet „Islamophobie“. Die muslimische Seite und ihre linken Unterstützer prangerten wiederholt eine  Unterdrückung muslimischer Bräuche und Sitten durch die „nichtgläubige“, oftmals noch katholische Mehrheitsbevölkerung an. Angeblich würden Muslime bedrängt und an ihrer Glaubensausübung behindert, hätten zu wenig Gotteshäuser und stießen auf Ablehnung bei Regierung, Verwaltung und Parteien.

Repräsentative Umfragen zeigten in den vergangenen Jahre aber auch eine verstärkte Gegenperspektive: Demnach fühlt sich eine Mehrheit der französischen Bevölkerung angesichts der wachsenden Präsenz radikaler Muslime im öffentlichen Raum eingeschränkt und streckenweise auch bedroht. Die Terroranschläge des Jahres 2015 auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und das Kulturzentrum Bataclan mit mehr als 130 Todesopfern haben die Spirale des Misstrauens gewaltig angeheizt.

Franz-Olivier Giesbert, der Herausgeber des französischen Polit-Magazins „Point“, hat dieser Tage zwischen einem „guten“ und einem „schlechten“ Kommunitarismus unterschieden, indem er schrieb: „Die einen wollen ihre Kultur erhalten und ihre traditionelle Gastronomie mit uns teilen. Die anderen sind Missionare, Eroberer, die die Republik verändern und der Gesellschaft ihre Gesetze aufzwingen wollen.“