Mahnmal europäischer Geschichte

Ausgabe 265

Foto: Paul Katzenberger, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

(iz). Anfang Juli wird auf zahlreichen Veranstaltungen wieder den Opfern der Balkankriege der 1990er Jahre gedacht. Der Völkermord an den bosnischen Muslimen, die Verfolgung von Frauen, Männern, Kindern und die zahlreichen Kriegsverbrechen gelten als eines der dunkelsten Kapitel europäischer Nachkriegsgeschichte. Zudem hat ein Gericht im niederländischen Den Haag gerade die Mitschuld niederländischer UN-Soldaten am Massaker in Srebrenica festgestellt. Bis heute wirken diese Geschehnisse als ein Mahnmal und als deutliche Warnung vor den Abgründen identitärer Politik.
Die Erinnerung an die Balkankriege ist somit zweifellos ein zentrales Anliegen der europäischen Muslime. Sie geht einher mit dem Respekt vor dem Versöhnungswillen der bosnischen und albanischen Muslime und der nüchternen sowie bedeutsamen Feststellung, dass ihr Gedenken an die erlittenen Gräuel niemals in die Eskalation des Terrorismus geführt hat.
In Deutschland sind die bosnischen und albanischen Gemeinden, die nach der Flüchtlingswelle entstanden sind, inzwischen eine Bereicherung der deutschen Gesellschaft. Aus ihren schmerzlichen Erfahrungen lässt sich nicht zuletzt die Bedeutung guter Nachbarschaft nachvollziehen.
Außerdem können sie auf ein großes Erbe und den Erfahrungsschatz einer ­islamischen Zivilisation zurückblicken. Die Altstädte von Städten wie Prizren oder Sarajevo erzählen von der sozialen Kompetenz der Muslime und sind städtebauliche Zeichen gelebter Toleranz. Bis heute ist die muslimische Infrastruktur noch nicht vollständig wiederhergestellt und leidet unter den Enteignungen der Stiftungen unter der kommunistischen Herrschaft.
Die aktuelle Lage in dieser Region Südosteuropas gibt wieder einmal Anlass zur Sorge. Die ungelösten ökonomischen Probleme, wachsender Nationalismus und der Import von Ideologien sind die alten Rezepte für den Rückschritt. Der neue Staat Kosovo ist zudem noch nicht vollständig völkerrechtlich anerkannt und in praktisch allen Staaten des ehemaligen Jugoslawien schwelen nach wie vor Grenzkonflikte.
Die Integration der Balkanstaaten in die EU, die noch keine Mitglieder sind,  ist gerade wegen der unsicheren Lage ein wichtiges Thema. In einem vereinten Europa der Regionen besteht wohl zur Zeit die einzige Möglichkeit, die Brisanz der Grenzziehungen zu überwinden. Nach wie vor gilt aber auch, gerade für junge Europäer, dass zu einem umfassenden Verständnis des Islam in Europa Reisen in die muslimisch geprägten Landstriche gehört.