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Mali: Große Sorge um Stabilität

Foto: US-Africa Command | Lizenz: Public Domain

Einen Tag nach dem Staatsstreich ist es in Mali unerwartet ruhig geblieben. Hilfsorganisationen fürchten aber, dass sich die Situation besonders für den armen Teil der Bevölkerung weiter verschlechtern könnte. Von Karin Gänsler und Joachim Heinz

Bamako (KNA). Es klingt wie eine Überraschung. Nach Schüssen in der Militärbasis in Kati am 18. August, Massenprotesten und der Machtübernahme durch das Militär ist in Malis Hauptstadt Bamako bereits wieder eine Art Alltag eingezogen. Augenzeugen berichten von einer ruhigen Stimmung und geöffneten Geschäften. Dennoch ist die Armee weiter präsent.

Die aufständischen Soldaten um Oberst Sadio Camara hatten am Morgen des 19. August in einer Fernsehansprache angekündigt, eine zivile Übergangsregierung zu gründen und Neuwahlen vorzubereiten. Sie luden die Bevölkerung und die politische Opposition zur Mitwirkung ein. Als Motiv für den Putsch gaben sie an, „Verantwortung vor dem Volk und der Geschichte“ übernehmen zu wollen. Beobachter gehen tatsächlich davon aus, dass die Äußerungen mehr als nur bloße Floskeln sind.

Präsident Ibrahim Boubacar Keita hatte zuvor seinen Rücktritt angekündigt, nachdem die Aufständischen ihn sowie Ministerpräsident Boubou Cisse am Dienstag festgesetzt hatten. Der 75-jährige Keita stand seit Monaten unter Druck. Kritiker halten ihm vor, zu wenig gegen die schwere Sicherheitskrise im Norden und Zentrum des Landes unternommen zu haben. Dort kommt es regelmäßig zu Anschlägen verschiedener Terrororganisationen. Auch bekämpfen sich Milizen ethnischer Gruppen im Zentrum des Landes. Die Protestbewegung M5-RFP wirft der Regierung zudem Korruption und Vetternwirtschaft vor.

Die Demonstranten um den einflussreichen Imam Mahmoud Dicko waren bereits seit Anfang Juni mehrfach gegen Keita auf die Straße gegangen und hatten dessen Rücktritt gefordert. Immer wieder hatte es Spekulationen gegeben, ob Dicko selbst in die Politik gehen will, was er am 18. August gegenüber Radio France Internationale (RFI) aber erneut dementierte.

Nach Einschätzung der Caritas in Mali bleibt die Stimmung in der Bevölkerung gespalten. Die Menschen, die den Putschisten zugejubelt hatten, würden nicht notwendigerweise die Mehrheit repräsentieren. Stattdessen seien viele der Ansicht, dass es auch andere Mittel und Wege für eine Kurskorrektur gegeben hätte, so Caritas-Vertreter Theodore Togo.

Internationale Organisation wie die Vereinten Nationen und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verurteilten die Entwicklung sogar scharf. Die Vermittlungsversuche der Regionalorganisation waren in den vergangenen Wochen immer wieder gescheitert.

Nigers Außenminister Kalla Ankourao zeigte sich gegenüber der Deutschen Welle enttäuscht: „Zwei Monate lang haben wir versucht zu vermitteln und gehofft, dass das malische Volk sich an die Vorgaben der ECOWAS, nämlich Demokratie und gute Regierungsführung, halten würde.“ Der Putsch bedeute nun einen „brutalen Stopp der Verhandlungen“. Niger führt derzeit den Vorsitz des Staatenbundes. Derweil rief der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) in der Nacht zu Mittwoch alle Seiten zum Verzicht auf weitere Gewalt auf.

„Die große Befürchtung ist, dass die politische Instabilität nun anhalten wird“, erklärte der Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako, Thomas Schiller, der Deutschen Welle. Nach Einschätzung des Hilfswerks Misereor bedeutet der verfassungswidrige Sturz des gewählten Staatschefs einen schweren Rückschlag für die demokratische Entwicklung. Nun sei die Staatengemeinschaft gefragt, insbesondere auch Deutschland, um Mali aus der „beispiellosen Krise“ zu helfen, so das Hilfswerk gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Von der in Bonn ansässigen Welthungerhilfe hieß es auf KNA-Anfrage, die prekäre humanitäre Lage könne sich durch die politischen Ereignisse noch einmal zuspitzen. „Seit 2012 ist die Sicherheitslage in Mali instabil, und die Menschen leiden unter einer schlechten Ernährungs- und Versorgungslage. Mehr als fünf Millionen Menschen wissen nicht, wie sie sich täglich ernähren sollen“, so der Welthungerhilfe-Landesdirektor für Mali, Bernd Schwenk. Er gehe davon aus, dass nun viel davon abhängig sei, „wie die Putschisten die Situation managen, und wie sich die internationale Gebergemeinschaft gegenüber den Putschisten verhält“.

Das internationale Missionswerk missio in München rief zu einem Dialog aller Beteiligten auf. Die internationale Gemeinschaft müsse auf die besonnenen Kräfte setzen, sagte missio-Präsident Wolfgang Huber. Insbesondere die führenden Religionsvertreter von Christen und Muslimen könnten dabei eine wesentliche Rolle spielen. Vertreter der katholischen Kirche hätten in den vergangenen Monaten als Vermittler gewirkt und Dialog angemahnt. Auch in der Corona-Krise habe sich das Netzwerk der Religionsgemeinschaften als tragfähig erwiesen, etwa bei der Verteilung von Schutzmasken.