Botschafterin Dr. Khouloud Daibes zur aktuellen Lage in ihrer Heimat

(iz). Seit 2013 ist die Stadtplanerin Dr. Khouloud Daibes palästinensische Botschafterin in Deutschland. Wir befragten sie zur aktuellen Lage in ihrer Heimst sowie zu Aussichten für eine Wiederbelebung des so genannten Friedensprozesses.

Islamische Zeitung: Sehr geehrte Frau Botschafterin Dr. Daibes, gibt es schon eine Bilanz der menschlichen und materiellen Verluste im Gazastreifen und der Westbank, seit die israelischen Armee mit der Suche nach den Entführten in der Westbank bzw. dem Angriff auf Gaza begonnen hat?

Khouloud Daibes: Seit Beginn der israelischen Aggression am 07. Juli wurden 265 Palästinenser ermordet, über 2.200 Palästinenser verletzt und 645 Häuser zerstört, darunter Krankenhäuser, Schulen, Moscheen und andere öffentliche Einrichtungen. Israel führte allein 2.571 Luftangriffe auf den Gaza-Streifen durch.

Islamische Zeitung: Die von Tel Aviv angeführten Gründe wirken wenig überzeugend. Manch Beobachter munkelte, es gehe vielmehr um das Ende einer Kooperation der verschiedenen palästinensischen Parteien. Was ist Ihre Einschätzung?

Khouloud Daibes: Alle Staaten der Welt haben die überparteiliche Konsensregierung als Ergebnis des inneren Versöhnungsprozesses, begrüßt – mit Ausnahme von Israel, das diesen Prozess torpediert.

Islamische Zeitung: Die derzeitige Gemengelage aus israelischen Angriffen und mangelndem Verhandlungswillen der so genannten internationalen Staatengemeinschaft macht wenig Hoffnung auf Fortschritte in Sachen Friedensprozess zwischen Israel und der palästinensischen Autorität. Wie schätzt die palästinensische Regierung die Lage ein? Bestehen für Sie Aussichten auf Besserung?

Khouloud Daibes: Israel führt einen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen, übrigens bereits der dritte innerhalb der vergangenen 6 Jahre. Das Ergebnis ist eine hohe Opferzahl unter der Zivilbevölkerung, die Zerstörung lebensnotwendiger Infrastruktur und eine schwer traumatisierte Bevölkerung. Die PLO versucht, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die palästinensische Bevölkerung zu schützen und den innerpalästinensischen Versöhnungsprozess zu festigen.

Wir halten an einer Verhandlungslösung fest. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die internationale Gemeinschaft in der Pflicht ist, Israel zur Einhaltung internationale Rechtsstandards, insbesondere des Völkerrechts und der Menschenrechte zu zwingen. Dieser Krieg muss schnellstmöglich gestoppt werden.

Islamische Zeitung: Sehr geehrte Frau Botschafterin, der jetzige Angriff auf Gaza ist die Wiederholung bereits bekannter Abläufe. Warum kommt es immer wieder zu solch wiederholten Ereignissen?

Khouloud Daibes: Israel betreibt unter massiven Völkerrechtsverletzungen eine aggressive Land- und Expansionspolitik in Palästina.

Islamische Zeitung: Welche Rolle spielen im Fall Gaza eigentlich die vermuteten Rohstoffvorkommen vor der Küste?

Khouloud Daibes: Dabei handelt es sich um Spekulationen. Tatsache ist, dass immer wieder Kriege aus rein wirtschaftlichen Interessen heraus geführt werden.

Islamische Zeitung: Wie gestaltet sich die innerpalästinensische Debatte –beispielsweise um das Vorgehen der Hamas? Man denke an das „Manifest der Jugend von Gaza“, das alles andere als schmeichelhaft mit der politischen und militärischen Führung umging…

Khouloud Daibes: Im Vordergrund steht die Einheit des palästinensischen Volkes, aber auch die Beendigung der Abriegelung des Gaza-Streifens und faktisch die Beendigung der israelischen Besatzung. Die politische Zukunft der jungen Generation ist fest verknüpft mit der Gründung des souveränen Staates Palästina.

Islamische Zeitung: Sehr geehrte Frau Dr. Daibes, gibt es angesichts der letzten 14 Jahre derzeit eigentlich Grund zur Hoffnung auf die einstmals angestrebte Zweistaatenlösung oder braucht es nicht doch neue Konzepte?

Khouloud Daibes: Als Palästinenserin gebe ich die Hoffnung nicht auf. Im November 2012 wurde Palästina als Nichtvollmitglied von den Vereinten Nationen anerkannt. Mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft werden wir auf Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 unseren Staat Palästina gründen.