Mehr Frauen in die Moscheen

Ausgabe 283

(KNA). Für manche überraschend macht sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan derzeit für die Rechte von Frauen in der Moschee stark. Er will, dass sie gemeinsam mit Männern beten, und will sie öfter beim Freitagsgebet sehen. Kürzlich aber legte sich das Staatsoberhaupt hierzu mit konser­vativen Stimmen an.
Anfang Oktober wies Erdogan darauf hin, dass es im Qu’ran keine Stelle gebe, in der das gemeinsame Beten der Geschlechter untersagt sei. Auch bei der Eröffnung der ­DITIB-Moschee in Köln im September sprach Erdogan das Thema an: „Man sagt den Frauen: Du kannst nicht zum Freitagsgebet oder Feiertagsgebet kommen. Sie halten Frauen davon ab, in die Moscheen zu kommen. Aber warum sollen sie nicht kommen? Wenn wir uns starke Moscheen wünschen, müssen wir auch Frauen einbeziehen.“ Manche Muslime sehen in diesen Worten auch eine indirekte Stellungnahme gegen strikt getrennte Gebetsbereiche.
Das Thema beschäftigt türkische Muslime schon länger. Im März kam es zu einem Aufruhr in der Istanbuler Fatih-Moschee, als vier Frauen sich weigerten, den Gebetsbereich der Männer zu verlassen. Unterstützung bekamen sie von der Initiative „Kadinlar Camilerde“, was übersetzt „Frauen in Moscheen“ bedeutet. Die Organisation gibt es seit 2017. Der Zusammenschluss von Musliminnen setzt sich für sauberere und vor allem gemeinsame Gebetsbereiche in türkischen Moscheen ein.
Nach türkischem Gesetz sollte jede Moschee zwei Eingänge haben, einen für Frauen und einen für Männer. In der Praxis aber gibt es oft Probleme. Die abgetrennten Räume für Frauen sind wesentlich kleiner. Steile ­Treppen machen den Aufstieg für ältere Frauen und Kinder oft schwierig. Die Waschräume – notwendig für die rituellen Waschungen vor dem Gebet – sind oft außer Betrieb oder verschmutzt. Die wesentlich größeren Räume für Männer sind dagegen meist sauber und mit bequemen Teppichen ausgelegt.
So entstehe eine Negativ-Spirale: Weniger Frauen gingen in die Moschee, weshalb viele Imame die Instandhaltung der Frauenräume vernachlässigten. Das Problem betrifft gerade Moscheen in kleineren Städten und auf dem Land.
„Kadinlar Camilerde“ fordert deshalb das gemeinsame Gebet von Männern und Frauen in denselben Räumen. Die NGO nutzt dabei soziale Medien wie Instagram und Twitter, bittet aber auch die Diyanet um Unterstützung. Die Religionsbehörde startete immer wieder Kampagnen, in denen Frauen dazu aufgefordert wurden, zu den Freitagsgebeten in die Moscheen zu gehen. Laut der Diyanet hat die Trennung nichts mit den islamischen Vorschriften, wohl aber mit männlichem Macho-Gehabe zu tun.
Auf Widerstand aber stoßen die Vorschläge bei vielen religiösen Orden und konser­vativen Stimmen. Dort sieht man das ­traditionelle Familienbild in Gefahr und fürchtet gar, Männer könnten durch aufreizende Bewegungen der Frauen beim ­Gebet in Versuchung geführt werden. „Wenn Frauen in überfüllten Moscheen mit Männern beten, stören sie damit auch das Gebet der ­Männer“, schrieb der Kolumnist Vehbi Kara Anfang November in der „Yeni Akit“, einer religiösen Tageszeitung. Das gelte besonders für Städte wie Istanbul, wo Platz begrenzt sei.
Unter vielen Türkinnen gilt Erdogan tatsächlich als Frauenförderer. Die Öffnung zahlreicher Bereiche des öffentlichen Lebens für Frauen mit Kopftuch halten viele gläubige Türkinnen für eine der wichtigsten Leistungen der AKP-Regierung. Unter den säkularen Regierungen war es Frauen jahrzehntelang verboten, in öffentlichen Räumen Kopftücher zu tragen.