Mit Spiritualität für den Klimaschutz

Ausgabe 272

Foto: Muslim Climate Action

(exc). In der internationalen Klimapolitik gewinnen religiöse Gruppen und Organisationen nach politikwissen­schaftlichen Studien zunehmend an Einfluss. „Sie haben sich etwa bei den UN-Klimakonferenzen als Akteure unter den Nichtregierungsorganisationen etabliert und werden als eine Macht ernst genommen, die in vielen Ländern, nicht zuletzt durch hohe Mitgliederzahlen, umweltpolitische Prozesse effektiv anstoßen kann“, sagte die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Katharina Glaab von der Norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU) am 17. Januar am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Münster, wo sie bis 2015 über Religion und Umwelt forschte.
„Um klimapolitisch wirksam zu werden, gründen religiöse Akteure inter­religiöse Koalitionen und kooperieren mit säkularen Organisationen“, so Glaab. Christliche Organisationen wie „Brot für die Welt“, die „Lutheran World Federation“ und der Vatikan, aber auch buddhistische, muslimische und interreligiöse Gruppen bringen vor allem ethische Dimensionen und Gerechtigkeitskriterien in klimapolitische Verfahren ein.
„Internationale Umweltpolitiker beziehen religiöse Akteure zunehmend in die Beratungen ein, weil sie ihnen viel Potenzial für gesellschaftliche Transformationen zuschreiben, ohne die Umweltpolitik nicht mehr möglich ist“, führte Glaab aus. „Sie gehen davon aus, dass Religionen Weltbilder formen können, eine hohe moralische Autorität besitzen, viele Anhänger haben und neben erheblichen Ressourcen auch ein enormes soz­iales Kapital zur Bildung starker Gemeinschaften haben. Dies schafft enorme Reichweiten, mit denen sich in Politik und Gesellschaften weltweit nachhaltig etwas verändern lässt“, so Glaab. Der Vortrag über ihre Forschungsergebnisse trug den Titel „Religiöse Akteure in der globalen Klimapolitik. Verhandlung, Übersetzung und Grenzsetzungen“.
Wie Glaabs Studien weiter ergaben, setzt die Klimapolitik von religiösen ­Akteuren im Unterschied zu säkularen Umweltakteuren eher auf eine emotionale, als eine technische Sprache. Außerdem ziehen religiöse Umweltaktivisten ein Engagement im Rahmen etablierter politischer Institutionen offenen Protestaktionen vor – „obwohl sie inhaltliche Bedenken von radikaler agierenden zivil­gesellschaftlichen Gruppen teilweise teilen, etwa gegenüber marktbasierten ­Lösungen gegen den Klimawandel“.
Der wachsende Einfluss von Religionen in der Klimapolitik ist der Forscherin zufolge auch auf ihr praktisches Potenzial zurückzuführen, für das zahlreiche energie- und ressourcenschonende Projekte in Gemeinden stünden. „Religiöse Akteure schließen so pragmatisch die Lücke zwischen dem Wissen über die Folgen unökologischen Verhaltens und dem Ausbleiben individueller Verhaltensänderungen, wie man sie aus der Nachhaltigkeitsforschung kennt“, so die Politikwissenschaftlerin.
Glaab konnte im Rahmen des Forschungsprojekts „Religiöse Akteure in der Global Governance“ am Exzellenzcluster am Beispiel der Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen der Vereinten Nationen (UN) 2015 zeigen, dass der „Organisationsgrad des religiösen ­Engagements“ wächst und interreligiöse Koalitionen zunehmen.
Als Beispiel nannte sie das religionsübergreifende Netzwerk „Interfaith Liaison Committee“, das mit dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention im Dialog steht, und das „Climate Action Network“, in dem religiöse und zivil­gesellschaftliche Akteure kooperieren.
„Dass die internationale Politik religiöse Umweltaktivisten zu Rate zieht, hat das Verständnis für neue Lösungsansätze wesentlich erweitert“, so die Forscherin. „Man hat erkannt, dass politische, ökonomische und technologische Ansätze nicht ausreichen, wenn ethische über­sehen werden – denn sie wirken sich unmittelbar auf Machtverhältnisse, indi­viduelle Rechte und gesellschaftliche Pflichten in den Ländern aus, welche die Umwelt verschmutzen.
„So stellt die Erd-Charta als Deklaration grundlegender ethischer Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung im ­globalen Maßstab fest, dass die ökolo­gischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und spirituellen Probleme und Hoffnungen der Menschheit eng miteinander verbunden sind und ganzheitlich angegangen werden müssen.“ Die Charta soll nach dem Willen vieler umweltpolitischer Akteure als völkerrechtlich verbindlicher Vertrag von der internationalen Staatengemeinschaft ratifiziert werden.
Katharina Glaab ist Professorin für Global Change and International Relations an der Norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU) und forschte von 2012 bis 2015 am Exzellenzcluster im Projekt „Religiöse Akteure in der Global Governance“ unter Leitung der Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Doris Fuchs.