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Mohammed Ibrahim berichtet aus Hannover über eine Idee, Wohltätigkeit zu leben

(iz). Es ist ein kühler Sonntagabend. Der erste November. Wir stehen im Kreis. Die frierenden Hände auf Brusthöhe in den Himmel gerichtet, sprechen wir gemeinsam ein letztes, herzerwärmendes Du’a, bevor sich jeder auf dem Weg nach Hause macht. Es war eine harte Woche, auf unseren Gesichtern ist die Erschöpfung zu sehen. Dennoch übermalt ein Lächeln unsere Müdigkeit. Einige schließen zufrieden ihre Augen, andere wiederum blicken auf und ihre Gesichter leuchten vor spirituellem Glanz. Charity Week ist endlich nach Deutschland gekommen!
Die fragenden Blicke könnt ihr euch sparen, denn der Name ist eigentlich selbsterklärend. Die Woche vom 26.10.-1.11 handelten wir nämlich in einem einzigen Sinne: Charity. Im genannten Zeitraum wurden Events zugunsten von Waisenkindern in Krisengebieten organisiert. Alle Einnahmen der Aktionen fließen ausschließlich in vertrauenswürdige Projekte, die jährlich von der Community (also euch) gewählt werden.
Gegründet wurde das Projekt im Jahre 2003 in England. Seitdem hat es nicht nur Vereine in Australien, Qatar und den Vereinigten Staaten in seinen Bann gezogen – dieses Mal sind erstmalig auch die Islamischen Hochschulgruppen aus Hannover und Hamburg dabei gewesen. Auch außerhalb dieser beiden Städte liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Über 15 „Cake Days“ in ganz Deutschland sollten euch die Charity Week im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen. Als Partner und Initiator des Projekts agiert die Hilfsorganisation „Islamic Relief“, bekannt für ihr weltweit nachhaltiges und transparentes Handeln. So konnte Charity Week in den vergangenen Jahren hunderttausende Waisenkinder und Bedürftige durch den Bau von Schulen, Prothesenzentren, Wasseranlagen und Vielem mehr unterstützen.
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Helfen ist schön, Spenden ist hilfreich. Jedoch ist man alleine nicht so motiviert wie in der Gruppe. Die Gemeinschaft bringt die Veränderung. Ich kann mit 10 Euro einem Kind in Afrika den Schulbesuch ermöglichen. Mit 10 weiteren Kommilitonen könnten wir eine Klasse versorgen. Mit meinem gesamten Studienjahrgang jedoch, könnten wir eine ganze Schule wieder aufbauen. Das nenne ich dann nachhaltiges Spenden. Bei Charity Week geht es nicht nur um „Hilfe zur Selbsthilfe“ und um die Spende selbst, sondern um die Motivation, gemeinsam etwas zu bewirken.
Das Ziel: Ein Netzwerk zu kreieren, das auch nach der Woche funktioniert. Wo die verschiedensten Charaktere aufeinander treffen, um miteinander zu wachsen. Wäre es nicht toll, an allen großen deutschen Hochschulen eine Charity Week zu haben? Gemeinsam richtig Spaß zu haben? In England ist genau das der Fall, der Gruppe dort gelang es letztes Jahr, über eine Millionen Euro zu sammeln. Unglaublich – Ist das auch in Deutschland möglich?
Charity. Was im Lexikon mit Wohltätigkeit übersetzt wird, erlangte im letzten Monat viele Bedeutungen. Es bedeutet Spaß. Die zahlreichen Veranstaltungen der letzten Oktoberwoche waren phänomenal. Beim Sumoringen am Montag stiegen wir in übergroße Kostüme und „kämpften“ um jede Spende. Am Freitag wurde Fußball gespielt, jedoch in einem riesigen „Bumperball“. Man nahm den Ball an und wurde gleich von Spielern in aufgeblasenen Plastikanzügen weggestoßen. Mit einer Spendenbox gewappnet, liefen wir am Sonntagnachmittag im Superheldenanzug um den Maschsee in Hannover. Wir ernteten teilweise ungläubige Blicke, aber wir hatten Spaß.
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Charity bedeutet Verantwortung. Als Schüler und Studenten aller Fachrichtungen aus Deutschland schätzen wir die vielen Privilegien, die uns tagtäglich zuteil werden. Deshalb möchten wir gemäß des Ausspruches des Propheten Muhammad, Allahs Friede und Segen auf ihm, „der Beste unter euch ist derjenige, der den Menschen am Nützlichsten ist“ notleidende und einsame Menschen jeglicher Religion, Kultur und Herkunft unterstützen. Dazu übergeben wir einerseits die gesamten Spendengelder an Waisenkinder, damit sie von Bildung und einer angemessenen Infrastruktur profitieren können.
Andererseits nehmen wir uns Zeit für einsame, erkrankte und hilflose Glieder unserer deutschen Gesellschaft. So trafen sich am Montag Bugs Bunny und Batman, um die kleinsten Patienten der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule (MHH) zu überraschen. Doch nicht nur die Jüngsten unter uns, sondern auch unsere Senioren sollten unsere volle Aufmerksamkeit bekommen. Am Mittwoch gab es deshalb unseren Kulturabend im Altersheim: In bunten, traditionellen Trachten hielten wir Kurzvorträge zu den Herkunftsländern unserer Eltern und boten Kalligraphie und selbstgemachte kulinarische Köstlichkeiten an.
Charity bedeutet leckeres Essen. Am Samstag eroberten die Charity Week-Stände die Hannoveraner Innenstadt. Neben Hennamalereien und einer Hüpfburg ging es vor allem um eines: Kuchen. Es gab Kuchen in jeglichen Farben und Variationen. Alles, was das Auge so begehrt. Die Hannoveraner waren begeistert und füllten sich die Mägen. Gefüllt wurden übrigens auch die aufgestellten Spendenboxen. Am Mittwochabend gab es dann passend zu einem Film, der den Nahostkonflikt aus persönlicher Sicht reflektierte, palästinensische Falafeltaschen. Alles frisch und mit Liebe gemacht.
Charity bedeutet Improvisieren. Als wir am Freitag unseren müden Bumperball-Teilnehmern frische Waffeln anbieten wollten, stießen wir auf ein riesiges Problem. Wir hatten keinen Zugang zu Strom. Verzweifelt wandten wir uns an die Hallenaufsicht, die uns kopfschüttelnd abwies. Ohne Genehmigung könnte man uns den Strom der Halle nicht zur Verfügung stellen. Was sollten wir machen? Ein Bruder hatte eine Idee. Eine Stunde später kam er wieder: mit einem benzinbetriebenen Stromgenerator. Das Essen war gerettet.
Charity bedeutet Teamgeist. Ohne das Team hätte keines der Events funktionieren können. Ohne die fleißigen Helfer, die die Kuchen und Süßigkeiten backten, die Veranstaltungen organisierten und bei jeder Veranstaltung den Auf- und Abbau koordinierten. Ohne Supermärkte und Institutionen, die uns mit Materialien und Räumlichkeiten versorgten. Ohne die großzügigen Spender aus Hannover, welche uns mit ihrem Interesse unterstützten, an den Veranstaltungen teilnahmen und natürlich auch die blauen Spendenboxen füllten. Ohne die zahlreichen Helferinnen und Helfer und den hunderten von Teilnehmern überall in Deutschland, wäre die Charity Week einfach nicht Charity Week.
Wie im vergangenen Monat, hoffe ich auch im nächsten Jahr auf motivierte Teilnehmer. Nicht nur in Hannover, Hamburg, Mannheim, Bremen oder Berlin, sondern in jeder großen deutschen Stadt. Nächstes Jahr werden wir wieder im Kreis stehen und unsere Hände gen Himmel richten. Wir werden müde Gesichter haben, doch die Erschöpfung wird verblassen, wenn wir realisieren, wie viel wir als Gemeinschaft erreicht haben. Inscha’Allah.
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