Mohammed Mursi ist tot

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Kairo (dpa/iz). Der frühere ägyptische Präsident Mohammed Mursi ist tot. Das staatliche ägyptische Fernsehen berichtete am Montag, er sei während eines Prozesses gegen ihn bewusstlos geworden und gestorben. Mursi wurde 67 Jahre alt. Die genaue Todesursache war zunächst unbekannt.Die ägyptische Staatsanwaltschaft ordnete am Montag nach eigenen Angaben eine Untersuchung an, um die Todesursache festzustellen. Aus Angst vor Protesten von Anhängern Mursis erhöhte das ägyptische Innenministerium die Alarmbereitschaft.
Mursi stand in einem Berufungsverfahren wegen angeblicher Spionage für Katar vor Gericht. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sprach er am Montag noch rund fünf Minuten zum Richter. Danach habe er das Bewusstsein verloren und sei zu Boden gestürzt. Die Ärzte im Krankenhaus hätten nur noch seinen Tod feststellen können. Der Leichnam wies demnach keine neueren äußeren Verletzungen auf.
Im Jahr 2012 hatte Mursi als erster frei gewählter Präsident die ägyptische Führung übernommen. Im Sommer 2013 kam es jedoch zu Massenprotesten gegen ihn, daraufhin stürzte ihn das Militär am 3. Juli des Jahres unter Führung des heutigen Staatschefs Abdel Fattah al-Sisi.
Mursi gehörte den Muslimbrüdern an, die heute in Ägypten verboten sind. Die Regierung hat sie unter Führung Al-Sisis als Terrororganisation eingestuft und verfolgt sie nun mit harter Hand.
Mursi wurde nach seinem Sturz mehrfach vor Gericht gestellt, unter anderem wegen der Tötung von Demonstranten bei Protesten gegen seine Herrschaft und wegen angeblicher Spionage für Katar. Dabei erhielt er mehrjährige Haftstrafen.
Mursi war als Präsident Langzeitherrscher Husni Mubarak nachgefolgt, der im Februar 2011 nach Massenprotesten abtreten musste. Mursis Präsidentschaft war von Konflikten mit dem Militär, mit der Justiz und mit der Revolutionsjugend gekennzeichnet, die die Revolte gegen Mubarak getragen hatte. Nach einem Ultimatum setzte das Militär Mursi bei einem Putsch ab und übernahm selbst die Macht am Nil. Proteste gegen den Sturz des Staatsoberhauptes ließ die Armeeführung blutig niederschlagen.
Viele Kritiker warfen Mursi vor, zu konfrontativ regiert zu haben. Vor allem gemäßigte Gruppen sahen ihn kritisch und lehnten eine Zusammenarbeit mit ihm ab, obwohl ihn viele 2012 in der Stichwahl um das Präsidentenamt unterstützt hatten. Gleichzeitig arbeiteten aber auch viele Staatsorgane gegen ihn und versuchten, seine Präsidentschaft zu untergraben. Vor allem in der Justiz traf er auf starken Widerstand. Die Richter legten aus Protest zeitweise ihre Arbeit nieder. Anhänger des Präsidenten sprachen von alten Seilschaften aus Zeiten der Mubarak-Herrschaft. Mursi entließ zwar im August den Armeechef und Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi sowie den Generalstabschef Sami Anan, konnte aber das Militär, den eigentlichen Herrscher Ägyptens, nicht entmachten.
Mursi wurde 1951 in einem Dorf der Provinz Scharkija als Sohn eines Bauern geboren. Einen Teil seiner akademischen Laufbahn absolvierte er in den USA. Als Maschinenbau-Ingenieur gelang ihm ein sozialer Aufstieg. 2012 trat er für die Muslimbrüder jedoch nur als Ersatzkandidat an, weil die Wahlkommission den eigentlichen Favoriten der Organisation aus formalen Gründen von der Wahl ausgeschlossen hatte.
Seine Anhänger sahen in ihm bis zu seinem Tod den rechtmäßigen Präsidenten des Landes. Sein Sturz nach dem Putsch symbolisiert auch den Niedergang der Muslimbrüder. Mursi wurde Dauergast als Angeklagter vor Gericht und mehrfach zu langen Haftstrafen verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem die Tötung von Demonstranten bei Protesten gegen seine Herrschaft und angebliche Spionage für Katar. Wegen eines Gefängnisausbruchs erhielt er zunächst sogar die Todesstrafe, die später jedoch in eine langjährige Haftstrafe umgewandelt wurde. Bis zu seinem Tod saß Mursi im Gefängnis.
Wie ihm erging es vielen in seiner Gefolgschaft. Tausende seiner Anhänger sitzen im Gefängnis, viele wurden trotz internationaler Proteste zum Tode verurteilt.
Als einer der ersten internationalen Staatsführer kondolierte der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani – ein Erzfeind der jetzigen ägyptischen Führung. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte sein Bedauern über den Tod des früheren ägyptischen Staatschefs aus.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beklagte, Mursis plötzlicher Tod sei angesichts der schlechten Haftbedingungen vorhersehbar gewesen. Die ägyptische Regierung habe es unterlassen, ihm eine angemessene medizinische Versorgung zu gewähren, erklärte die HRW-Nahost-Direktorin Sarah Leah Whitson über Twitter.
2017 hatte HRW bereits in einem Bericht beklagt, Mursis Haftbedingungen könnten zu einer Verschlechterung seiner Gesundheit beigetragen haben. So seien ihm unter anderem über mehrere Jahre Besuche seiner Familie und seiner Anwälte untersagt worden.